Quantitative Phasenanalyse in ADI: Möglichkeiten der in-situ Neutronendiffraktometrie

Volk, W. und P. Saal – TU München, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen

Neutronen ermöglichen es, die Struktur von Werkstoffen zu untersuchen. Die Abschwächung in Aluminium- oder Eisenwerkstoffen ist im Vergleich zu Röntgenstrahlen sehr gering, weshalb Informationen aus dem gesamten Probenvolumen gewonnen werden können. Die Dämpfungslängen, bei welchen die Intensität des einfallenden Strahls um den Faktor e-1 (≈ 0,368) abnimmt, liegen bei Neutronenstrahlen mit einer Wellenlänge von beispielsweise 1,8 Å in Eisen bei 8,3 mm, in Aluminium sogar bei 96 mm. Für Röntgenstrahlen (Cu Kα, λ = 1,54 Å) liegen diese Werte bei 0,004 mm bzw. 0,076 mm [1]. Die Neutronendiffraktometrie ermöglicht daher unter andrem in-situ Untersuchungen sowie Phasenanalysen im Probenvolumen. Die vorgestellten Untersuchungen wurden an den Instrumenten STRESS-SPEC [2] und SPODI [3] des Heinz-Meier-Leibniz Zentrums (MLZ) durchgeführt.

In-situ Messung der Phasenumwandlungskinetik

Am Instrument STRESS-SPEC wurden die mikrostrukturellen Vorgänge bei der Wärmebehandlung von Ausferritischem Gusseisen (ADI) untersucht. Proben aus unlegiertem und niedriglegiertem Gusseisen mit Kugelgrafit wurden zu ADI wärmebehandelt. Der eingesetzte Spiegelofen regelt die Probentemperatur über Heizlampen und Argongasabschreckung (vgl. Abbildung 1). Nach dem Aufheizen auf die Austenitisierungstemperatur von 900 °C wurde für 30 min austenitisiert. In dieser Phase diffundiert Kohlenstoff von den Grafitkugeln in die Austenitmatrix. Anschließend erfolgte die Abschreckung auf Ausferritisierungstemperaturen zwischen 250 °C und 450 °C mit darauffolgender isothermer Ausferritisierung. In diesem Behandlungsabschnitt wandeln Teile der Austenitmatrix in Ferrit um. Da dieser kaum Kohlenstoff bindet, geht zusätzlicher Kohlenstoff in den umliegenden Austenit über und stabilisiert diesen zunehmend.

Volk_Abb.1

Schematischer Messaufbau des Spiegelofens.

Während der Wärmebehandlung wurde die Probe mit Neutronen der Wellenlänge λ ≈ 2,12 Å bestrahlt. Die gestreuten Intensitäten der Ebenen Austenit (111) und Ferrit (110) wurden dabei in Messintervallen von 20 s bis 120 s detektiert. Aus den Reflexpositionen wurden die Gitterkonstanten der auftretenden Phasen während der Austenitisierung sowie der Ausferritisierung ermittelt. Da sich die Menge des gelösten Kohlenstoffs im Austenit in dessen Gitterkonstante auswirkt, ermöglicht dies die Bestimmung des Austenit-Kohlenstoffgehalts während der Wärmebehandlung. Aus den Streuintensitäten konnten zusätzlich die Phasenvolumenanteile von Austenit und Ferrit für jedes Messintervall errechnet werden.

Deformationsinduzierte Martensitbildung

Die Umwandlung von Austenit zu Martensit unter Last wurde am Instrument SPODI mit gestauchten ADI-Proben untersucht. Die Proben wurden zuvor wärmebehandelt und mit einer Universalprüfmaschine stufenweise zwischen 0 % und 40 % gestaucht. Der Detektor des Instruments SPODI erfasst gestreute Intensitäten in einen Winkelbereich Δ(2Θhkl) = 160°. Der Instrumentenaufbau ist für eine Datenauswertung mittels Rietveld Verfeinerung ausgelegt. Die Konzipierung des Monochromators gewährleistet die hierfür notwendige hohe Instrumentenauflösung sowie gute Profilformen der Reflexe [3]. Die Messungen erfolgten mit einer Wellenlänge von 1,5483 Å durchgeführt.

Für die Bestimmung der quantitativen Phasenvolumengehalte wurde die Rietveld Verfeinerung angewendet. Diese ist eine nach Hugo Rietveld [4] benannte Analysemethode für Diffraktogramme, welche auf den gesamten Streuwinkelbereich angewendet werden kann. Ein Strukturmodell, welches die experimentell ermittelten Streuintensitäten aller Phasen mit analytischen Funktionen beschreibt wird dabei in einem Optimierungsprozess angepasst [4]. Die Auswertung erfolgte mit der Software MAUD [5]. Dabei konnte ein Anstieg des Martensitphasenvolumenanteils mit zunehmender plastischer Deformation festgestellt werden (vgl. Abbildung 2).

Volk_Abb.2

Verlauf der Phasenvolumenanteile mit zunehmender plastischer Deformation.

Danksagung

Dieses Projekt wurde unter dem GZ VO 1487/5-1 – PE580/14-1 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Literatur

[1] Hutchings, M. T.; Withers, P. J.; Holden, T. M.; Lorentzen, T.: Introduction to the characterization of residual stresses by neutron diffraction. Boca Raton: Taylor & Francis, 2005, S.30.

[2] Hofmann. M.; Schneider, R.; Seidl, G.A.; Rebelo-Kornmeier, J.; Wimpory, R.C.; Garbe, U.; Brockmeier, H.-G.: The new materials science diffractometer STRESS-SPEC at FRM-II. Physica B 385-386 (2006): 1035-1037.

[3] Hoelzel, M.; Gan, W. M.; Hofmann, M.; Randau, C.; Seidl, G.: Jüttner, Ph.; Schmahl, W. W.: Rotatable multifunctional loadframes for neutron diffractometers at FRMII – design, specifications and applications. Nuclear Instruments and Methods in Physics Research A 711 (2013): 101-105.

[4] Rietveld, H. M.: A Profile Refinement Method for Nuclear and Magnetic Structures. Journal of Applied Crystallography 2 (1969): 65-71.

[5] Young, R. A.: Introduction to the Rietveld Method. In: Young, R. A. (Hrsg.): The Rietveld Method. Oxford, New York, Oxford University Press, 1993.

[6] Lutterotti, L.: Maud: A Rietveld analysis program designed for the internet and experiment integration. Acta Crystallographica Section A 56, supplement (2000): 54.

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