Mechanische und bruchmechanische Kennwerte Si-mischkristallverfestigter GJS-Werkstoffe im Hinblick auf ihren Einsatz in Windkraftanlagen

Pusch, G.*; Ludwig, A.*; Biermann, H.*; Mottitschka, T.**, Nagel, K.** –

TU Bergakademie Freiberg, *) Institut für Werkstofftechnik (IWT), **) vormals IWT

Das BMU-Projekt „Werkstoffentwicklung für Windenergieanlagen im Multi-Megawatt-Bereich Offshore“ (MEGAWind) [1] beinhaltete die gießtechnische Entwicklung und Herstellung eines höherfesten Gusseisenwerkstoffes, den Nachweis der Beanspruchbarkeit unter zyklischer Belastung sowie die Sicherheitsbewertung am Beispiel der bruchmechanischen Analyse einer Nabe. Die Ergebnisse der hierfür erforderlichen Bestimmung bruchmechanischer Kennwerte bei statischer und zyklischer Beanspruchung [2] und [3] sind Gegenstand des vorliegenden Beitrages.

Im Hinblick auf den Einsatz für Offshore-Großgusskomponenten wurde eine repräsentative Probekörpergeometrie abgeleitet, in deren Ergebnis eine 1,2 t schwere Platte mit den Wanddicken 60, 130 und 200 mm bereitgestellt wurde. Im Rahmen von Voruntersuchungen wurden die chemische Zusammensetzung und die Optimierung des Gießverfahrens hinsichtlich Schmelzführung und Behandlung festgelegt. Sie wird hier in den Werkstoffgüten W1 bis W7 ausgewiesen. Die Probenahme für die bruchmechanischen Untersuchungen erfolgte ausschließlich aus der 130 mm dicken Platte und ist ausführlich in [2] dokumentiert. Um dem bei großen Komponenten zur Anwendung kommenden Fertigungsschweißen Rechnung zu tragen, erfolgte die Probenahme aus einer artgleichen Schweißverbindung, hergestellt als Mehrlagenschweißung (SG).

Als Referenzwerkstoffe kam der GJS-400-18LT zum Einsatz, der als direkt aus einer Nabe entnommenes Probenmaterial zur Verfügung stand.

Aus den Kennwerten des Zugversuchs bei RT (Tabelle 1) folgt, dass im Verlauf des gießtechnischen Optimierungsprozesses von W1 bis W5 der Bruch der Zugproben an makroskopischen Fehlstellen eingeleitet wird, in deren Ergebnis niedrige Verformungskennwerte und ein hohes Dehngrenzenverhältnis zu verzeichnen sind. Metallographische und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen dokumentierten in diesen Bereichen Graphitentartungen und Anhäufungen von Metallkarbiden (Ti, V, W, Nb, Mo), die zu einer spaltflächigen Rissausbreitung führten.

Grafik

Tabelle 1: Kennwerte des Zugversuches und der statischen Bruchmechanik

Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, dass der ferritische GJS-400-18LT bei RT und -40 °C eine gleichbleibend hohe Bruchzähigkeit aufweist und, wie aus der Bezeichnung der Bruchzähigkeitswerte als KIC(Ji/BL)-Werte folgt, der Bruch über eine duktile stabile Rissausbreitung eingeleitet wird. Das gilt auch für das artgleiche Schweißgut mit dem niedrigsten Si-Gehalt der untersuchten Werkstoffvarianten.

Bei allen Werkstoffvarianten, d. h. Si ≥ 2,7 % ist mit dem Übergang von RT zu -20 °C bzw. ‑40 °C ein deutlicher Abfall der Bruchzähigkeit zu verzeichnen. Mit Ausnahme der Variante W4 bei ‑20 °C tritt ausschließlich spaltflächige Rissausbreitung auf, die sich entweder als „pop-in“-Effekt bei Vorliegen lokaler Gefügeheterogenitäten oder als instabile Rissausbreitung ausweist. Die deutliche Abhängigkeit der gemessenen Bruchzähigkeitswerte vom Si-Gehalt ist, unter Einbeziehung des Schrifttums [4], [5], aus der graphischen Darstellung ersichtlich.

In die Korrelation einbezogen sind hier auch Messungen an den Stranggussqualitäten (Durchmesser 160 mm) GJS-400-18C (Si = 2,63%, Rp0,2 = 300 MPa, Rm = 424 MPa, A = 25,9%) und GJS-500-14C (Si = 3,56%, Rp0,2 = 391 MPa, Rm = 504 MPa, A = 19,7%) mit KIC(Ji) = 46,5 MPa√m [6].

Hieraus folgt eine Abnahme der Bruchzähigkeit von je 29 MPa√m je 1% Si bei RT, die bei Einsatz Si-Mischkristallverfestigter GJS-Werkstoffe, zusätzlich zum Temperatureinfluss, zu beachten ist.

Grafik2

KIC bzw. KIC(Ji) in Abhängigkeit vom Si-Gehalt für ferritische GJS-Werkstoffe bei RT

Die Aufnahme zyklischer Risswachstumskurven nach ASTM 647 und ISO 121080, die den Zusammenhang zwischen Risswachstumsgeschwindigkeit (da/dN) und der vor der Rissspitze wirkenden Beanspruchung (zyklischen Spannungsintensitätsfaktor K) beschreiben, erfolgte bei R = 0,05 und R = -1 an 10 mm dicken SENB-Proben, wobei mindestens drei Parallelproben geprüft wurden.

Die für die Bewertung des Risswiderstandsverhaltens zyklisch beanspruchter Bauteile aus der da/dN-K-Kurve bestimmten Parameter, wie Schwellenwert Kth, C und m der Paris-Erdogan-Gleichung (1)

CodeCogsEqn

sowie der kritische zyklische Spannungsintensitätsfaktor Kfc sind in Abhängigkeit von der Mittelspannung (R-Wert) in Tabelle 2 dargestellt.

Grafik4

Tabelle 2: Kennwerte der zyklischen Risswachstumskurven

Literatur

[0]

MEGAWind, Werkstoffentwicklung für Windenergieanalgen im Multi-Megawatt-Bereich. Abschlussbericht, 2012

[0]

Biermann, H.; Pusch, G.; Ludwig, A.; Mottitschka, T.: Ermittlung bruchmechanischer Kenndaten, Abschlussbericht in [1]

[0]

Pusch, G.; Ludwig, A.; Biermann, H.; Mottitschka, T.; Nagel, K.: Mechanische und bruchmechanische Kennwerte Si-mischkristallverfestigter GJS-Werkstoffe im Hinblick auf ihren Einsatz in Windkraftanlagen. Gießerei-Praxis (2015), 6, S. 255-270

[0]

Wolfensberger, S., Uggowitzer, P., M. O. Speidel.:

Die Bruchzähigkeit von Gusseisen. Teil II: Gusseisen mit Kugelgraphit,

Gießereiforschung 39 (1987) 2, S.71-80

[0]

Komatsu, S. u. a.:

Effects of several main factors on duktile-brittle Transition behaviours of fracture toughness in SG cast iron. AFS Transactions, 102, 1994, pp 121-125

[0]

CAEF, Continuous Casting Section, Prüfbericht: Ermittlung der Kennwerte des statischen J-Integral nach ISO 12135 an sechs unterschiedlichen Werkstoffen bei -20 °C sowie bei Raumtemperatur, TU Bergakademie Freiberg, Januar 2012.


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