Haben Sie gewusst, dass aus Miscanthus (auch Elefantengras genannt) einzigartige Anwendungen realisiert werden können? SAMSax zeigt, wie es geht!
Für die Aida-Aufführung im Theater Chemnitz hat das simul+ Reallabor SAMSax mit Hilfe der additiven Fertigung (3D-Druck) Kapitelle für das Bühnenbild gedruckt. In diesem Interview mit Herrn Norbert Richter (Leiter der Ausstattungswerkstätten) erfahren Sie, wie es zu der Zusammenarbeit und der Idee kam und wie es weitergeht.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit SAMSax?
Wir wurden als Stadttheater von der hiesigen TU Chemnitz angesprochen, inwiefern wir Interesse am Themenkreis Wertstoffkreisläufe haben, insbesondere ob wir uns vorstellen können, im Idealfall die Substanzen unserer Dekorationen nach der üblichen Lebensdauer auf der Bühne über Recycling als Ausgangsstoff für die Herstellung neuer Dekorationen zu nutzen. Der Gedanke erschien uns noch als Zukunftsmusik, jedoch reizte uns der Ansatz über additive Fertigungsverfahren mit Reststoffen gegebenenfalls Teile unser wenig nachhaltigen Ausgangsstoffe und/oder Herstellungsverfahren abzulösen.
Was war Ihre Intention eine Kooperation mit SAMSax einzugehen?
Ausgangspunkt für dieses exemplarische Projekt war die gewünschte Opulenz des Bühnenbildentwurfes zu „Aida“. Dieser adäquat beizukommen hat uns bewogen, die Aufgaben auf verschiedene „Werkbänke“ zu verteilen. D.h. neben den theatertypischen Fertigungsmethoden auch auf neue Ansätze in der Herstellung zu setzen. Wir hatten zum Zeitpunkt der Vermittlung detaillierter Anforderungen zu den einzelnen Baugruppen noch keinen nennenswerten Zugang zum 3D-Druck. Da der notwendige Detailreichtum und die Anzahl der Kapitelle einen hohen Aufwand in einer traditionellen Fertigung zur Folge gehabt hätten, lag nahe, die Serie aus einem virtuellen Modell replizieren zu lassen. Die Dimension des Kapitells und der Wunsch, versuchsweise auf einen nachhaltigen Rohstoff zurückzugreifen erforderte die Beratung durch Prof. Dr.-Ing. Henning Zeidler. Erste Telefonate und Verständigung über das per Photogrammetrie erstellte digitale Modell zeigten, dass Dimension und Menge erreichbar wären. Von der Anfrage Mitte Oktober bis zu den ersten Prototypen vergingen nur 2 ½ Monate. Die anschließenden Herausforderungen bestanden im Trocknen und Beschichten. Schließlich konnten wir nach dem schrittweisen aufwändigen malerischen Gestalten der Gesamtdekoration diese Anfang April auf die Bühne bringen.
Was hat Sie motiviert, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in den Theaterwerkstätten auseinander zu setzen?
Der Antrieb unserer Veränderungen generiert sich im Regelfall aus der Differenz einer Aufgabenstellung zu einem oder mehreren Parametern unserer „Theaterrealität“. Oft reicht die Zeit oder die Menge qualifizierten Personals oder die budgetäre Deckung nicht für unser „Greifen nach den Sternen“. In solchen Momenten sind wir versucht, von unseren traditionsreichen und eingetretenen Pfaden abzuweichen.
Gab es Herausforderungen oder Bedenken Ihrerseits, bestehende Prozesse zu verändern?
Die Veränderungen greifen in erster Linie auf der Ebene, aufwändige (meist händische) Technologien durch digital gestützte Fertigungsverfahren zu „vereinfachen“. Diese Tendenz begleitet uns schon mehrere Jahre. Auf diesen Erfahrungswerten aufbauend macht es Sinn anhand der Aufgaben zu untersuchen, wie verwandte Materialien oder Baugruppen für weitere Nutzung gesichert wieder zurückgebaut werden können. Leider ist aktuell eine Prognose der Lebensdauer einer Dekoration auf der Bühne, wie auch die Vorausschau der Art kommender Aufgaben ein extrem vages Unterfangen. Unsere diesbezüglichen Erwägungen sind geprägt von einer diffusen Hoffnung.
Welche Reststoffe fallen bei Ihnen an?
Der Hauptanteil nutzbarer Reststoffe kommt aus der Spanabsaugung der Tischlerei. Da wir vergleichsweise viel sägen und wenig hobeln oder fräsen fangen wir in der Anlage vorrangig kleine bis kleinste Partikelgrößen auf. Der Anteil der mit diesen Maschinen verarbeiteten Kunststoffe ist zum Glück überschaubar bzw. zeitlich gut abgrenzbar. Daher ist unser Partikelgemisch von Holz dominiert. Wir geben regelmäßig die Späne an einen Pferdehof als Einstreu ab.
Was sind bisherige bzw. klassische Vorgehen in den Theaterwerkstätten?
Wir vollführen regelmäßig den Spagat zwischen handwerklicher und künstlerischer Fertigung. Entsprechend kommt es je nach Gegenstand auf den Millimeter an oder eben auf die Spannung im Bogen und im Kontext auf das Gesamtbild an. Wir vereinen in unseren Werkstätten Personen, die in ihrer Expertise die entsprechend passenden graduellen Zwischentöne im Dialog mit den Ausstattern entwickeln und umsetzen. Da unsere Entwicklungszeiträume immer durch das Premierendatum begrenzt sind, stehen nicht immer alle Optionen zur Verfügung. Die digital gestützte Fertigung eröffnet uns die Möglichkeit zur Parallelisierung von Prozessen, bzw. zur Fokussierung auf den künstlerischeren Anteil der Tätigkeiten. Speziell die additive Fertigung ermöglicht komplexe Strukturen herzustellen, die im theatertypischen Prototypenbau über lange Zeiträume Personal binden.
Gibt es schon konkrete Vorstellungen oder Ideen der weiteren Umsetzungen für bestimmte Anwendungen?
Wir haben erkannt, dass wir unser Know-how für die digital gestützte Fertigung weiter ausbauen müssen. Der Dialog mit SAMSax und den hinzugezogenen Interessenten bedingt, dass wir uns in den Begrifflichkeiten und im Prozessverständnis annähern. Das begleitet unseren internen Lernprozess, innerhalb dessen wir an exemplarischen Kleinaufgaben abgeschlossene Prozesse von Datenerstellung (scan/modeling) bis zum fertigen FDM-Druck Möglichkeiten und Grenzen herausarbeiten.
Warum würden Sie das Reallabor SAMSax weiterempfehlen?
Der Austausch mit anderen Theatern zeigt, wie unterschiedlich die Aufgabenstellungen ausfallen können. Die Zusammenarbeit mit SAMSax führt dazu, dass man bereits in der konkreten Formulierung der Anforderungen und den Grenzen der eigenen Fertigungsprozesse als auch im Dialog darüber die seit dem Barock tradierten Herstellungsstrategien auf ihre aktuelle Tauglichkeit und Vertretbarkeit untersucht. Wir haben SAMSax als Mind-Opener erlebt. Der andauernde Austausch hat bewirkt, dass wir unsere Verfahren bewusster und reflektierter einsetzen – immer bereit an Schwachstellen den Kompromiss in der Anwendung eines „neuen“ Verfahrens zu suchen.
Vielen Dank für das Interview!
Foto: ©Nasser Hashemi (Kapitelle jeweils oben auf der linken und rechten Seite)