2013 Südamerika Brasilien Maschinenbau

Institution:       UNESP, Faculdade de Engenharia de Ilha Solteira, Brasil

Zeitraum:        August und September 2013

Ankunft und Leben in Ilha Solteira

Ich erhielt meine endgültige Zusage zum Praktikum von IAESTE Brasilien ca. vier Wochen vor meiner Abreise. Zum Glück war die Beantragung eines Visums nicht notwendig, da mein Aufenthalt kürzer als 90 Tage sein sollte. Die Einreise verlief ohne Probleme. Am Flughafen in São Paulo wurde ich morgens von einem brasilianischen Studenten abgeholt und zu ihm nach Hause zum Frühstück eingeladen. Wir besichtigten auch noch etwas die Stadt und er brachte mich anschließend zum Busbahnhof. Nach einer sehr komfortablen Busfahrt in der Nacht kam ich in den Morgenstunden in Ilha Solteira an und wurde von dem Studenten abgeholt, der mir sein WG-Zimmer für die zwei folgenden Monate zur Verfügung stellte. Er schlief stattdessen auf einer einfachen Matratze im Wohnzimmer. Wir unterhielten uns größtenteils auf Englisch und er zeigte mir gleich am ersten Tag vorbildlich die wichtigsten Plätze in der kleinen Stadt. Dazu gehörten der Supermarkt und die Universität. Wir kauften auch eine brasilianische SIM-Karte, die ich jedoch fast nie benutzte. Die meisten Absprachen wurden über Facebookgruppen und per e-mail getätigt. Von der zuweilen auftretenden südamerikanischen Unpünktlichkeit abgesehen, hat dies auch immer recht gut funktioniert. Ein großer Vorteil war, dass man selbst nachts unbesorgt alleine durch die Stadt gehen konnte, was im Vergleich mit Rio de Janeiro oder São Paulo durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Mein Mitbewohner stellte mir außerdem kostenlos ein Fahrrad zur Verfügung, dass ich jederzeit nutzen konnte. Andere Studenten haben sich eins für umgerechnet 30 € gekauft. Es war sehr praktisch, um in der Stadt oder zum nahegelegenen Strand fahren zu können. Viele der Einheimischen haben alle Strecken, die über die Stadtgrenzen hinweg gingen, mit dem Auto zurückgelegt. Auch zu Partys wurde oft mit dem Auto gefahren, selbst wenn der Fahrer garantiert Bier und Caipirinha trinken wollte. An dieser Stelle war Vorsicht beim Mitfahren auf dem Rückweg geboten und ggf. lieber der Heimweg zu Fuß anzutreten. Ich lernte schnell einige englisch sprechende Brasilianer kennen, die mir an zahlreichen Grillabenden das brasilianische Kartenspiel „Trucôuw“ beibrachten. Gegessen wurde meistens nur mit Salz gewürztes, bestes und zugleich sehr preiswertes Rindfleisch, dass auch mittags oft als Hauptgericht in der Kantine mit Reis und Bohnen serviert wurde. Weitere kulinarische Empfehlungen sind auf jeden Fall alle erdenklichen Fruchtsäfte und natürlich Caipirinha, welche allesamt sehr günstig gekauft bzw. zubereitet werden konnten. Als nachteilig in diesem Zusammenhang habe ich die Verschwendung von Lebensmitteln, insbesondere Fleisch, und Verpackungsmaterial in Kombination mit fast nicht existenter Mülltrennung erfahren. Da auch Wasser und Strom sehr billig sind, machen sich einige Einwohner oft nur wenig Gedanken über den Verbrauch. Aufgefallen ist mir außerdem, dass im Alltag generell nur akute Probleme gelöst werden, also z.B. die Reparatur eines Gerätes, weil es nicht mehr funktioniert. Gepflegt hingegen werden Gegenstände wie Fahrräder eher selten.

Die bei der Einreise in Brasilien eigentlich vorgeschriebene Gelbfieberimpfung wurde bei mir nicht kontrolliert. Zu einer Tollwutimpfung kann ich raten, da es viele freilaufende Hunde und auch Wachhunde gibt, die einem gern nachlaufen und auch zubeißen könnten. Krank geworden bin ich zum Glück nicht, dennoch ist es sicherlich ratsam, eine kleine Reiseapotheke einzupacken. Die Verständigung mit den Apothekern auf Englisch ist recht schwierig, sodass es leicht zu Missverständnissen kommen kann. Außerdem empfehle ich, nur an vertrauenswürdigen Stellen mit Kreditkarte zu bezahlen, um einen Missbrauch zu vermeiden. Am besten man hebt in Ilha Solteira bei der größten Bankfiliale Geld ab und bezahlt immer bar.

Arbeitsalltag

Zu Beginn meines Praktikums zeigte mir mein Professor die Fakultät und stellte mir zwei Projekte vor, von denen ich mir eins zur Bearbeitung aussuchen durfte. Ich entschied mich für die Aufgabenstellung, die eine Simulation zur Lärmbelastung in einem Teil der Stadt Ilha Solteira zum Inhalt hatte. Konkret sollten die akustischen Auswirkungen eines Hotels und deren Bewohner auf den benachbarten Zoo untersucht werden. Nach der Einarbeitung in die deutsche Simulationssoftware CadnaA führte ich Schallpegelmessungen und Verkehrszählungen in dem relevanten Bereich durch und passte das Computermodell an die Realität an. Anschließend fügte ich das geplante Hotel mit seinen Hauptlärmemissionspunkten wie Klimaanlagen, Parkplatz und Pool in das Modell ein und simulierte anschließend deren Einfluss auf die Umgebung. Es zeigte sich, dass der Hotelneubau zur Tagzeit nur eine Steigerung des Lärmpegels im Zoo von ca. 2% bewirkt, nachts hingegen ungefähr 10%. Die Ursache dafür liegt in den niedrigeren Verkehrszahlen in der Nacht begründet, die die Straßen ruhiger und den Einfluss des Hotellärms relativ gesehen größer werden lassen. Allerdings konnte die Vegetation des Zoos in der Simulation nicht berücksichtigt werden, die in der Realität einen Teil des Schalls absorbieren würde. Weiterhin wurde angenommen, dass die Klimaanlagen ohne Unterbrechung betrieben werden. Insofern sind die tatsächlichen Steigerungen wahrscheinlich niedriger, als die Simulation ergab.

Neben meinen eigenen Messungen, unterstützte ich zwei Studenten bei ihren Untersuchungen zur Ermittlung von akustischen Eigenschaften geschlossener Räume, z.B. der Nachhallzeit. Dadurch entstand ein reger Wissensaustausch zwischen mir und den Studenten, durch den viele aufkommende Fragen beantwortet werden konnten. Auch mein Professor half mir bei organisatorischen und fachlichen Problemen jederzeit. Die Kommunikationssprache war größtenteils Englisch.

Wie bereits angedeutet, ließ  mir mein Professor viele Freiheiten beim Bearbeiten der Aufgabe. Wir trafen uns mindestens einmal pro Woche und besprachen das weitere Vorgehen. Auch meine Wünsche für die Freizeitgestaltung, wie ein verlängertes Wochenende zu den Wasserfällen von Iguazú, berücksichtigte er und gab mir diesbezüglich auch zahlreiche Tipps. Insgesamt war die Arbeit sehr entspannt, und die südamerikanische lange Mittagspause für alle Universitätsangehörigen und Studenten obligatorisch.

Gesamteindruck

Ich werde Brasilien und seine freundlichen und hilfsbereiten Bewohner in sehr guter Erinnerung behalten. Es kam mir vor, als hätte jeder irgendeine Beschäftigung und wenn es „nur“ das Öffnen eines Tores oder die Bedienung der Knöpfe im Fahrstuhl ist. An vielen Stellen musste man sein deutsches Streben nach Effizienzsteigerung und Automatisierung deshalb in den Hintergrund stellen. Automaten, z.B. für das Lösen von Fahrkarten waren in meiner Stadt quasi nicht vorhanden. Wenn man ein paar Worte Portugiesisch sprechen konnte, wurde einem aber auf jeden Fall vom Verkäufer, Postbeamten oder Fahrkartenverkäufer geholfen. Außerhalb der Universität war es jedoch schwierig, einen englisch sprechenden Menschen zu finden.

Bedingt durch die hohen Temperaturen auch im Winter (meist über 25°C), gestaltete sich der Tagesablauf derart, dass nach der langen Mittagspause bis abends gearbeitet und bis in die Nacht entspannt oder gefeiert wurde. Wenn man nachts einmal durchschlafen wollte, mussten Oropax benutzt werden, da die Nachbarn manchmal nur wenig Rücksicht auf Ruhezeiten genommen haben. In allen anderen Bereichen, z.B. im Straßenverkehr, sind die Brasilianer aber sehr rücksichtsvoll gewesen. Wenn man einmal mitbekommen hat, dass das Hupen nicht böse gemeint, sondern von Motorradfahrern beim Überholen als Eigensicherung verwendet wird, macht der temperamentvolle Fahrstil einiger Busfahrer sogar richtig Spaß. Am besten kann man das wahrscheinlich in Rio de Janeiro erleben, das ich unbedingt als Reiseziel empfehle.

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