Im Sommer 2013 habe ich vom 29.07. bis zum 04.10. ein Praktikum an der „University of Ulster“ in Jordanstown, 20 Minuten nordöstlich von Belfast, an der School of Engineering absolviert.
Viele Menschen denken bei Belfast und Nordirland immer noch an bürgerkriegsähnliche Zustände und Terror. Meine Zeit im nördlichen Teil einer wunderbar grünen Insel hat mir allerdings gezeigt, dass es hier genauso ruhig oder unruhig ist wie in jedem anderen westeuropäischen Land. Der Großteil der Bevölkerung will Frieden und die Zeit der „Troubles“ hinter sich bringen. Jeder “normale” Irlandurlauber sollte, meiner Meinung nach, auch den nördlichen Teil der Insel erkunden. Hier liegen noch viele weitere kulturelle und landschaftliche Schätze verborgen. Das Leben in Nordirland ist von Pub-Besuchen geprägt. Jeden Donnerstag hat sich das örtliche LC in einem anderen schönen Pub getroffen und wir Praktikanten waren herzlich eingeladen, mitzukommen. Die ersten fünf Wochen meiner Zeit in Belfast habe ich in einer zehner WG im Elms Village der Queen’s University verbracht und dort ein intensives Gemeinschaftsleben erfahren. Dies ermöglichte es mir insbesondere am Anfang, leicht Anschluss zu finden. Bei gemeinsamen Unternehmungen sind so gute Bekanntschaften und interessante Freundschaften entstanden. Das Zusammenleben war eine sehr schöne Erfahrung. Die Zimmer waren sehr zweckmäßig und für die kurze Zeit vollkommen ausreichend, denn meistens hielten wir uns nur zum Schlafen in ihnen auf.
Ende August sind die meisten Praktikanten nach Hause gefahren. Gerade gewonnene Freunde mussten verabschiedet werden und es kehrte Ruhe in die WG ein. Am 1.9. bin ich mit Pedro und Renan, zwei brasilianischen IAESTE-Praktikanten, in eine private Unterkunft umgezogen, um Platz für die “richtigen” Studenten zu schaffen. Wir hatten uns ein Haus mit fünf Schlafzimmern, schöner Gemeinschaftsküche und Wohnzimmer ausgesucht. Die Zeit im “neuen” Haus war auch von Gemeinschaftsleben geprägt, wobei es diesmal enger und auf weniger Leute beschränkt war.
Die private Unterkunft brachte jedoch einige Hürden mit sich. Nach dem Umzug mussten einige Probleme mit dem neuen Vermieter überwunden werden. Außerdem waren Anfang Oktober fast keine Praktikanten mehr in Belfast. Deshalb empfehle ich, ein Praktikum in Nordirland Anfang September zu beenden, da die Wohnheimplätze dann an die dortigen Studenten vergeben werden und die meisten IAESTE-Praktika in Belfast zu Ende gehen.
Mein Arbeitsplatz, die University of Ulster, befand sich in Jordanstown. Dorthin fuhr ich jeden Tag 20 Minuten mit dem Zug. Ich war an der School of Engineering im Bereich der „Advanced Composite Materials“ beschäftigt. Zu Beginn meines Praktikums waren noch Semesterferien und die Universität sehr leer. Da mein Praktikum allerdings bis Anfang Oktober ging, konnte ich den Semesterstart in Nordirland miterleben. Während meines Praktikums habe ich viel Neues über kohlenfaserverstärkte Polymerverbundwerkstoffe gelernt. Ich konnte bei der Charakterisierung und Analyse von Composite-Proben und beim Extrudieren von Polymeren helfen.
Die Wochenenden habe ich sehr selten in meinem Zimmer verbracht. Gleich an meinem ersten Wochenende hat das LC Belfast eine Wanderung in den Mourne Mountains organisiert. Ich glaube, es sind alle 30 Praktikanten, die zu der Zeit in Belfast und Umgebung waren, mitgekommen. Dementsprechend voll war das Cottage, in dem wir eine Nacht verbrachten. Die Wanderung selbst führte durch unvergleichbare Landschaften und auch auf einen Gipfel. Es war eine Alles in Allem sehr anspruchsvolle Wanderung. Dennoch haben wir alle zusammen den Tag bei einem gemütlichen Lagerfeuer ausklingen lassen und noch bis in die späten Abendstunden gequatscht und getanzt.
Ein anderes LC-Wochenende haben wir in den Fermanagh Lakelands verbracht. Dort gibt es, wie der Name erwarten lässt, viel Wasser. Die Stadt Enniskillen liegt auf einer Insel zwischen den zwei größten Seen. Auch diese Landschaft ist einzigartig und man muss sie selbst besucht haben, um sich die Schönheit auch vorstellen zu können.
Am letzten vom LC organisierten Wochenende ging es an die North Coast. Wir bekamen eine Führung durch die Bushmills Distillery und fuhren dann weiter Richtung Giant’s Causeway. Dort ragen meterhohe Basaltsäulen aus dem stürmenden Meer und geben so ein eindrucksvolles Landschaftsbild.
Während einer „Murals“- Tour mit einem Belfaster Taxifahrer haben Nadine (eine andere deutsche Praktikantin in Belfast) und ich viel über die Geschichte Belfasts, Nordirlands und der „Troubles“ (so werden die knapp 40jährigen Unruhen in Nordirland genannt) gelernt. Jeder von uns hatte danach ein etwas mulmiges Gefühl im Bauch. Denn so eine Fahrt ist auch ein Stück Lebensgeschichte eines (in unserem Fall katholischen) Fahrers, dessen tägliches Leben als Kind von bewaffneten, britischen Soldaten geprägt war, und der diese schwere Zeit hautnah miterlebte.
An einigen Wochenenden hat es mich auch in die Republik Irland verschlagen. Ich habe die Hauptstadt Dublin, Galway und den Nordwesten des Landes besucht. Dabei hat sich die Westküste mit Connemara und den Cliffs of Moher zu meinem absoluten Favoriten entwickelt.
Nordirland hat mich sehr beeindruckt und die ehrliche und herzliche Freundlichkeit der Menschen überrascht. Es ist sehr einfach, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, denn die Menschen sind sehr offen und gehen auf ihre Mitmenschen zu. So entstehen interessante Unterhaltungen. Das Land ist perfekt zum Wandern und es ist sehr überschaubar. Auch wenn einige Distanzen auf Landkarten sehr weit aussehen, in Wirklichkeit ist es möglich in weniger als drei Stunden von der Ostküste an die Westküste Nordirlands zu fahren.Ich habe hier tolle Menschen kennengelernt, die mir alle fehlen werden.
Es war eine sehr schöne Zeit, die ich nie vergessen werde. Ich kann nur jedem empfehlen, ein IAESTE-Praktikum zu absolvieren. Auch wenn der fachliche Anspruch nicht immer passt, ist es eine tolle Gelegenheit, interessante Menschen und Länder kennenzulernen. Am meisten werden mir wohl “meine” zwei Brasilianer fehlen, die die zweite Hälfte meines Praktikums bereichert und leichter gemacht haben.