2011 Afrika Ghana Versicherungsgesellschaft

Ghana  Accra  Insurance Company

Dem Aufruf, dass noch Restpraktikumsplätze von IAESTE verfügbar sind, folgend, habe ich mich ohne große Vorüberlegung für ein Praktikum bei einer Versicherungsgesellschaft in der ghanaischen Hauptstadt Accra beworben. Für IAESTE eher untypisch handelte es sich um ein rein betriebs­wirtschaftliches Praktikum in der Abteilung für „Finance & Accounts“.

Ab dem Zeitpunkt, als ich die Kaution gezahlt und meine Unterschrift gesetzt hatte, ging es los mit der üblichen Vorbereitung, Reiseführer kaufen, Internetforen durchforsten und Blogbeiträge lesen.

Dass dann im Endeffekt doch vieles von Gelesenem und vom idealisierten, selbst zurecht gelegten Bild abweicht, ist bei einer so schnell expandierenden Stadt wie Accra ganz verständlich.

Als Praktikant in Accra wird man von IAESTE Ghana bei einer Gastfamilie im Stadtteil Lapaz (im Nordwesten der Stadt) untergebracht und auf dem Weg vom Flughafen zur neuen Bleibe bekommt man schon einen ersten Eindruck vom geschäftigen Treiben der Stadt und der – im Vergleich zu Deutschland im Herbst – unsäglichen Hitze.

Die Unterkunft – Wer nichts erwartet, wird nicht enttäuscht

In der Unterkunft angekommen, bot sich folgendes Bild:

Ein Haupthaus, in dem die Gastfamilie und die weiblichen Gaststudenten wohnten und wir alle zusammen unser Essen einnahmen. In einem kleinen Bungalow nebenan wohnten die Herren. Zum Mobilar lässt sich soviel sagen, dass es im Bungalow zwei Doppelstockbetten und vier dieser weißen Campingstühle, wie sie den ganzen Erdenball bevölkern, gab. Ein großes Regal haben wir vier Männer dann nach kurzer Planungsphase mit Holz aus dem Sägewerk selbst gebaut, um nicht für zwei Monate aus dem Koffer/Rucksack leben zu müssen. Das Bad bestand im Wesentlichen aus einer Toilette, einer Nasszelle und zwei Wassertonnen, die, wenn denn Wasser floss, von Hand befüllt werden wollten. Eimerdusche war täglich angesagt. Das Problem mit dem Wasser war, dass der Motorway gebaut wurde/wird und, dass sich in Ghana keine Behörde oder ein Bauunternehmen darüber Gedanken macht, wenn den Anwohnern einfach für zwei Wochen das Wasser abgedreht wird.

Insgesamt waren wir sieben Gaststudenten und allesamt aus Deutschland. Für problemlose Konversation nicht schlecht, zum Verbessern der eigenen Englischkenntnisse nicht der optimalste Umstand.

Unsere Gastmutter und ihre drei erwachsenen Kinder gaben uns zu jeder Zeit das Gefühl vollständige Mitglieder der Familie zu sein und haben uns aufgenommen als wären wir Verwandte. Ging es einem von uns schlecht – was, bis man sich an die regionalen Speisen auf der Straße gewöhnt hat, ab und an mal vorkommt – wurde sich bestens um uns gekümmert und mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Lapaz liegt in etwa 10km vom Stadtzentrum entfernt und daher hat man auch immer entsprechende Wege zu bewältigen, wenn man in die City oder einfach nur auf Arbeit möchte. Das ist durchaus ein kleiner Nachteil, der allerdings durch die ruhige Umgebung, in der die Unterkunft liegt kompensiert wird. Hier kann man dem Großstadtlärm und -schmutz entkommen, auf der Veranda relaxen und Kokosnusssaft aus eigenem Anbau trinken.

Die Arbeit

Das Praktikum begann sehr vielversprechend. Es wurde mir gleich am ersten Tag ein Ablaufplan für die kompletten zwei Monate vorgelegt, der mich über verschiedene Kollegen durch die ganze Abteilung führen sollte. Ich war begeistert. Nach den ersten zwei Wochen, in denen ich mehr oder weniger nur Fleißarbeiten zu erledigen hatte (z.B. Zeilen in 23.000-zeiligen Excel-Files unterstreichen und fettdrucken) stellte sich dann die erste Ernüchterung ein. Zwar folgte ich mustergültig dem Ablaufplan, der für mich vorgesehen war, doch blieb es immer nur bei der Erklärung ihrer Arbeit seitens meiner Kollegen. Nie gab es eine konkrete Aufgabe zu bearbeiten. Auch auf mehrfache Nachfrage änderte sich im Großen und Ganzen leider gar nichts. Deswegen lässt sich über die Arbeit an sich nicht viel schreiben. Wenngleich alle Kollegen extrem nett, zuvorkommend und witzig waren, sind die einzigen Kenntnisse, die ich anwenden und verbessern konnte, meine Englischkenntnisse. Ach ja und ein paar Twi-Kenntnisse konnte ich mir auch aneignen, sehr zum Spass meiner Kollegen. Sie belustigten sich sehr an meiner Aussprache und der Aussprache der deutschen Übersetzungen.

Ein wenig belastend wurde es dann am Abend, wenn man eh schon etwas genervt war, weil man außer Zeitungsstudium nichts Sinnvolles verbracht hat und dann abends noch für 9,8km zwei Stunden (Spitzenwert fünf Stunden) im Stau verbringen musste.

Freizeit

An Arbeitstagen gab es für mich leider nicht mehr viel zu tun in puncto Abendgestaltung, da ich im Mittel immer erst gegen 20 Uhr zu Hause aufschlug. Ansonsten gab es in und um Accra und in ganz Ghana natürlich wahnsinnig viel zu sehen und zu erleben. Ein großartiges Erlebnis war der von IAESTE Ghana organisierte Northern Trip, auf dem es über Kumasi, die Kintampo Waterfalls und ein Affenreservat nach Tamale ging, um von dort westlich in den Mole Nationalpark zu fahren. Dieser Trip war angefangen bei den Affen von Boabeng-Fiema, über die Wasserfälle von Kintampo bis zur Safari im Mole Nationalpark einfach fantastisch!

In Accra selbst ist das Arts Center ein absolutes Muss. Auch wenn man hier ein Gemüt von stoischer Ruhe haben muss, weil man als Weißer permanent von Händlern belagert wird, deren bester Freund man natürlich sofort ist, ist es einfach ein tolles Erlebnis. Hier kann man so ziemlich jedes denkbare Souvenier kaufen, das man sich vorstellen kann, von A wie Armreif bis Z wie Zahnstocher aus Ebenholz. Eiserne Regel sollte sein: Teile den Preis durch drei oder mehr! Solange der Händler lächelt, kann man sich sicher sein, er hat einen über’s Ohr gehauen.

Innerhalb Accras bewegt man sich natürlich mit den landestypischen Sammeltaxis, den TroTros, fort. Unschlagbar billig und einfach ein tägliches Happening mit immer neuen Begegnungen.

Fazit

Auch wenn das Praktikum bei weitem nicht das war, was ich mir vorgestellt hatte, so möchte ich die Erfahrung Ghana nicht missen, in meinem CV, aber ganz besonders in meinen Erinnerungen.

Die Freundlichkeit und Lebensfreude der Menschen hier ist oft nicht in Worte zu fassen. Welcher Deutsche läuft mit einem Fremden 2km bis zur Busstation, nur um ihm zu zeigen, welchen Bus er nehmen muss?! Wo singen Deutsche, wenn nicht gerade Fußball-Weltmeisterschaft ist, noch einfach aus purer Lust zusammen auf der Straße?!

Zum wichtigsten Thema, dem Essen, kann ich sagen, dass es eine Vielzahl lokaler Gerichte gibt, die man auch als verwöhnter deutscher Magen ohne Probleme und mit großem Genuss zu sich nehmen kann. Am besten ist allerdings das Angebot an frischem Obst und Gemüse. Ananas, Banane, Kokosnuss, Mango, Papaya, Tomate, Yam und wie sie alle heißen. Einfach eine ganz andere Geschmacksklasse als auf deutschen Märkten zu bekommen und natürlich zu weitaus günstigeren Preisen!

Accra an sich gleicht wegen des ungeheuren Verkehrs, der achtlosen Verwendung tausender Plastiktüten und des Verbrennens allen möglichen Mülls leider wirklich vielerorts, sogar an manchen Stränden, einem dreckigen Moloch. Die wirklich schönen Plätze findet man ein wenig außerhalb der Metropole bzw. im ganzen restlichen Land verteilt.

Genau aus diesem Grund habe ich an mein Praktikum noch einen 5-wöchigen Urlaub angehangen, um noch mehr von diesem wunderbaren Land kennenzulernen.

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