Ärger um Urheberrechtsverstöße auf ResearchGate

Ärger um Urheberrechtsverstöße auf ResearchGate

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© ResearchGate

 

Was ist ResearchGate?

ResearchGate ist ein 2008 gegründetes soziales Netzwerk von Wissenschaftlern für Wissenschaftler, über das die Möglichkeit des internationalen geistigen Austauschs ermöglicht und vereinfacht werden soll.[1] Mittlerweile hat es weltweit mehr als 13 Millionen Mitglieder.[2] Eine der Hauptfunktionen der Plattform ist die Möglichkeit des Uploads eigener wissenschaftlicher Publikationen, um diese über sein Profil mit anderen Netzwerknutzern zu teilen.

Wo liegen urheberrechtliche Bedenken?

Genau diese Funktion ist jedoch großen Wissenschaftsverlagen ein Dorn im Auge. ResearchGate selbst prüft nämlich nicht nach, ob der Hochladende tatsächlich berechtigt ist, seine Werke öffentlich zugänglich zu machen, sondern weist die Nutzer in einer Richtlinie zum geistigen Eigentum lediglich darauf hin, dass der Nutzer ein Recht zum Upload haben muss.[3] Im Regelfall tritt aber der Autor wissenschaftlicher Beiträge sämtliche Nutzungsrechte an seinem Werk an den veröffentlichenden Verlag ab. Gestatten ihm in diesem Fall weder gesetzliche Regelungen (etwa § 38 IV UrhG), noch spezielle Vereinbarungen mit dem Verlag selbst die eigene Veröffentlichung, so dürfte er die Beiträge nicht über ResearchGate teilen. Dennoch sollen über das Portal bis zu sieben Millionen Artikel öffentlich einsehbar sein, obwohl sie es nicht dürften.[4]

Reaktion der Wissenschaftsverlage  

Diese Tatsache ruft natürlich die großen Wissenschaftsverlage auf den Plan, die durch ResearchGate ihre Rechte verletzt sehen. Am 15.09.2017 wendete sich zunächst die STM Association als internationaler Branchenverband der Verlage mit einem Anwaltsschreiben an ResearchGate.[5] In diesem wird auf die für die Verbandsmitglieder unbefriedigende Situation aufmerksam gemacht und das Portal zur Kooperation aufgefordert. Konkret bietet die STM Association etwa an, dass die Verlage für ResearchGate ein System bereitstellen könnten, das beim Hochladen von Artikeln überprüft, ob und in welchem Umfang diese auf der Plattform veröffentlicht werden dürfen und schlägt auch eine Überprüfung der bereits vorhandenen Beiträge vor. Für den Fall, dass ResearchGate sich auf diese Vorschläge nicht einlassen sollte, wird angekündigt, dass die Verbandsmitglieder sich vorbehalten, individuell oder auch zusammengefasst auf ResearchGate zuzukommen. Tatsächlich lehnte ResearchGate die Vorschläge der STM Association ab.[6]

Daraufhin gab es unterschiedliche Vorgehensweisen der Verlage. So veröffentlichte ResearchGate am 09.10.2017 gemeinsam mit der Verlagsgruppe Springer Nature eine Mitteilung, dass beide Unternehmen nach einer einvernehmlichen Lösung bezüglich der Problematik suchen wollen und lädt andere Verlage ein, daran mitzuwirken.[7]

Einen anderen Weg beschritt ein dafür geschlossenes Bündnis von Großverlagen (u.a. American Chemical Society, Elsevier, Wolters Kluwer), die „Coalition for Responsible Sharing“. Es kündigt, aufgrund der Ablehnung sämtlicher Vorschläge der STM Association durch ResearchGate, in einer Erklärung vom 05.10.2017 an, nun förmliche Schritte einzuleiten und verstärkt mit Löschungsaufforderungen gegen die Plattform vorzugehen, um dadurch gegebenenfalls ein Umdenken bei ResearchGate auszulösen.[8] Zudem wird eröffnet, dass ACS und Elsevier Klage gegen ResearchGate erheben wollen, was mittlerweile wohl bei einem deutschen Landgericht auch passiert ist.[9] Daraufhin entfernte das Netzwerk zahlreiche urheberrechtlich geschützte Beiträge von seiner Seite, wobei dem Bündnis keine genaueren Informationen weitergegeben wurden.[10] Allerdings stelle diese Entfernung nur einen Bruchteil des Erforderlichen dar, sodass die Coalition for Responsible Sharing weiterhin formelle Löschungsaufforderungen an ResearchGate übersendet.[11]

Ausblick

Interessant wird im vorliegenden Fall insbesondere sein, wie das angerufene Gericht entscheiden wird. Problematisch ist insbesondere, dass die aktive Verletzung der Nutzungsrechte der Verlage hier hauptsächlich von den hochladenden Autoren selbst begangen wird, etwa weil sie den Überblick über die vertraglichen Regelungen mit dem Verlag verloren haben. ResearchGate hingegen dient ja lediglich als Veröffentlichungsinstrument, ohne selbst aktiv tätig zu werden. Deshalb kommt solchen Plattformen grundsätzlich eine Haftungsprivilegierung aus § 10 TMG zugute, nach der eine Verantwortlichkeit für die Verletzung erst dann angenommen werden kann, wenn der Dienstanbieter Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Inhalts haben. Ein Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung kann sich in einem solchen Fall jedoch aus der vom BGH entwickelten Störerhaftung ergeben, nämlich dann, wenn ein Dritter – im vorgestellten Fall ResearchGate – ihm obliegende Prüfpflichten verletzt hat.[12] Fraglich ist hier dann insbesondere, in welchem Umfang dem Portal ebenjene Pflichten auferlegt werden können. So wird zu prüfen sein, ob es ResearchGate zuzumuten ist, ein System, das die entsprechenden Beiträge beim Hochladen auf Nutzungsrechte des Autors prüft, in sein Geschäftsmodell zu integrieren, ähnlich wie es die STM Association bereits vorgeschlagen hat.       

Thomas Seltmann und Sebastian Horlacher, OERsax, CC-BY-SA 4.0

[1] https://www.researchgate.net/about – letzter Aufruf am 22.10.2017.

[2] https://www.researchgate.net/about – letzter Aufruf am 22.10.2017.

[3] Vgl. https://www.researchgate.net/application.IntellectualPropertyPolicy.html – letzter Aufruf am 22.10.2017.

[4] http://www.responsiblesharing.org/coalition-statement/ – letzter Aufruf am 22.10.2017.

[5] Schreiben abrufbar unter https://www.elsevier.com/__data/assets/pdf_file/0010/509068/
STM_letter_ResearchGate.20170916.pdf
– letzter Aufruf am 22.10.2017.

[6] https://www.stm-assoc.org/stm-publishers-researchgate/stm-and-researchgate/ – letzter Aufruf am 22.10.2017.

[7] https://www.researchgate.net/blog/post/researchgate-and-springer-nature-plan-cooperation – letzter Aufruf am 25.10.2017.

[8] http://www.responsiblesharing.org/coalition-statement/ – letzter Aufruf am 25.10.2017.

[9] Vgl. https://irights.info/artikel/zweitveroeffentlichungen-von-forschern-elsevier-und-fachgesellschaft-klagen-gegen-researchgate/28748 – letzter Aufruf am 25.10.2017.

[10] http://www.responsiblesharing.org/2017-10-10-ResearchGate-removed-articles/ – letzter Aufruf am 27.10.2017.

[11] http://www.responsiblesharing.org/2017-10-18-coalition-for-responsible-sharing-issues-take-down-notices-to-researchgate-to-address-remaining-violations/ – letzter Aufruf am 27.10.2017.

[12] Vgl. etwa BGH GRUR 2011, 152 (155f.).

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