2020 jährt sich die Verleihung des eigenständigen Promotionsrechts an die Bergakademie Freiberg zum 100. Mal. In dieser Zeit hat die TU Bergakademie Freiberg rund 5.300-mal den Doktortitel verliehen, davon rund 2.400-mal nach 1990. Promovierte der TU Bergakademie Freiberg kommen aus fast 100 Nationen und von allen Kontinenten.
„Als am 22. Dezember 1920 Walter Schopper aus Zeulenroda in Thüringen seine Doktorarbeit
„Beiträge zur Verarbeitung metallsalzhaltiger Lösungen, insbesondere der Ablaugen von der Extraktion der Kieselbrände“
mit Auszeichnung bestanden hatte, fand damit ein intensives Ringen der Bergakademie Freiberg um eine Gleichstellung mit den Technischen Hochschulen und Universitäten ein erfolgreiches Ende.
Die Bergakademie Freiberg erhielt zwar schon 1905 das Promotionsrecht, jedoch zunächst ausschließlich in Verbindung mit der Technischen Hochschule (TH) Dresden. Das bedeutete, dass Dissertationen, die in Freiberg für gut befunden wurden, trotzdem in Dresden als unzureichend abgelehnt werden konnten. Dies „kratzte“ nachweislich am Selbstverständnis der Bergakademie. So konstatierte Erwin Papperitz, Mathematikprofessor an der Bergakademie Freiberg, in seiner Antrittsrede als Rektor 1905:
„Jeder Fußbreit Boden mußte den Gegnern der Verleihung eines solchen Rechtes an die Bergakademie abgerungen werden“.
In der darauf folgenden Zeit drängte die Leitung daher – unter anderem unterstützt von Vertretern der Stadt Freiberg und zum Teil auch von Akteuren der Landesregierung – auf die Verleihung des eigenständigen Promotionsrechtes. So wurde 1916 anlässlich der 150-Jahr-Feier der Bergakademie – jedoch erfolglos – die Gunst der Stunde genutzt, um auf die Vergabe des eigenständigen Promotionsrechts hinzuwirken. Die ausschlaggebende Argumentationshilfe bot letztendlich wohl der Verweis auf die beiden montanistischen Schwesteranstalten in Leoben (Österreich) und Příbram (Tschechoslowakei), die bereits über volle Promotionsrechte verfügten. Zudem hatte im Oktober 1920 das preußische Staatsministerium beschlossen, der Bergakademie Clausthal das Recht der Verleihung des Titels „Doktor der Ingenieurwissenschaften“ zu übertragen. Das Sächsische Finanzministerium befand sich nun im Zugzwang. Nur 25 Tage nach der Bekanntgabe die Bergakademie Clausthal betreffend war in der Sächsischen Staatszeitung folgendes zu lesen:
„Auf Grund des Beschlusses des Gesamtministeriums vom 22. Oktober dieses Jahres verleiht das Finanzministerium namens der sächsischen Staatsregierung der Bergakademie Freiberg das Recht, unter den in der Promotionsordnung festzusetzenden Bedingungen auf Grund einer Prüfung die Würde eines Doktoringenieurs zu erteilen und die gleiche Würde auch ehrenhalber als seltene Auszeichnung an Personen zu verleihen, die sich um die Förderung der berg- und hüttentechnischen Wissenschaften hervorragende Verdienste erworben haben.“
Noch am selben Tag überreichten die Repräsentanten des Finanzministeriums, Ministerialdirektor Geheimer Rat Just und Geheimer Finanzrat Dr. Krug, als Höhepunkt des feierlichen Rektoratswechsels an der Bergakademie die entsprechende Urkunde. So verlor die Hochschule also nicht den Anschluss an die anderen europäischen Bergakademien und erreichte einen wichtigen Schritt zur Festigung des akademischen Anspruches sowie zur Angleichung an universitäre Strukturen. Aufgrund dieser Entwicklung gab es allein von Ende 1920 bis Ende 1932 104 Promotionen an der Bergakademie Freiberg. Eine Ursache dafür lag drin, dass gerade Mitte der 1920er Jahre und ab dem Jahr 1929 viele Absolventen aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation in der Inflationszeit bzw. nach der Weltwirtschaftskrise keinen direkten Einstieg in die Industrie suchten sondern im akademischen System verblieben.
Im Jahr 1921 machten übrigens der Rektor und der Senat von dem der Bergakademie zustehendem Recht der Ehrenpromotion intensiver als zuvor Gebrauch, indem sie auf einstimmigen Beschluss des Professorenkollegiums
„acht hochverdienten Männern“
die Ehrendoktorwürde verliehen. Darunter waren Ernst Just und sein Kollege Heinrich Fischer, beide im Finanzministerium in Dresden tätig. Dies erfolgte sicher auch in Anerkennung für deren vorherige Fürsprache zur Erlangung des eigenständigen Promotionsrechtes bei den dafür zuständigen Stellen. Dass die Würde eines Dr.-Ing. E. h. auch in den folgenden Jahren keine „seltene Auszeichnung“ war, belegen die Zahlen. So wurden zwischen 1918 und 1933 an der Bergakademie Freiberg 44 Personen mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet; darunter allein fünf Repräsentanten aus Politik und Verwaltung des Freistaates Sachsen. Das waren mehr als achtmal so viele Ehrenpromotionen wie in der zeitlich in etwa vergleichbaren Phase von 1905 bis 1917.
„Im Jahre 1930 würdigte die Bergakademie schließlich ihre besondere Verbindung zum sächsischen Finanzministerium mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Finanzminister Hugo Weber, der dieses für die Bergakademie so wichtige Ministerium als Vertreter der Wirtschaftspartei von 1927 bis 1930 leitete“.
Überhaupt war die extensive Verleihung von akademischen Ehrenwürden eine in der Zeit der Weimarer Republik durchaus übliche Praxis an den deutschen Hochschulen, um Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder private Stifter an sich zu binden. Und Dank des Wegfalls der zuvor auch bei Ehrenpromotionen notwendigen Abstimmung mit der TH Dresden vereinfachte sich ab Oktober 1920 der Vergabeprozess zugunsten der Freiberger Hochschule.
Die Verleihung des eigenständigen Promotionsrechtes an die Bergakademie Freiberg half also bemerkenswerterweise – neben den aus den Arbeiten resultierenden fachlichen Erkenntnissen – gerade im ersten Jahrzehnt in Hinblick auf die Vergabe von Promotionen und Ehrenpromotionen eine wichtige Strategie der Krisenbewältigung zu verfolgen, die das Weiterbestehen der Hochschule sicherte.“
[Auszug aus: Preißler. Stefanie; Wopat, Kristina: 100 Jahre eigenständiges Promotionsrecht an der (TU) Bergakademie Freiberg, in: ACAMONTA 26(2019), S. 86-87]