02. Januar 2022 – Oliver Rheinbach

Die guten Nachrichten zur Corona-Variante Omikron

Zu Beginn des Jahres (und zum Beginn der Omikron-Welle in Deutschland) kommen gute Nachrichten zu Omikron aus GB.

Omikron-Infektionen in GB führen seltener zu stationärer Aufnahme ins Krankenhaus

Die Omikron-Infektionen in GB scheinen erkennbar milder zu verlaufen, also weniger ins Krankenhaus zu führen. Da GB inzwischen mehr als eine halbe Million Omikron-Fälle beobachten konnte, sind die Aussagen als valide einzuschätzen. Über die alle Corona-Fälle in GB zusammen gesehen (also geimpft und ungeimpft) sind die Omikron-Infektionen nur mit 33% der Hospitalisierungen verbunden im Vergleich zu Delta:

„The risk of hospital admission from emergency departments with
Omicron was approximately onethird of that for Delta (Hazard Ratio 0.33, 95% CI: 0.30 to 0.37). These analyses were stratified on date of specimen and area of residence and further adjusted for age, sex, ethnicity, local area deprivation, international travel, vaccination status. They are also adjusted for whether the current infection is a known reinfection, although as reinfections are substantially underascertained, the adjustment may not have fully accounted for the effect of reinfections.
In this analysis, the risk of hospitalisation is lower for Omicron cases after 2 and 3 doses of vaccine, with an 81% (77 to 85%) reduction in the risk of hospitalisation after 3 doses compared to unvaccinated Omicron cases.“

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 9, Table 4)

Wirksamkeit der Impfungen gegen schwere Omikron-Verläufe

Die milderen Verläufe bei Omikron-Infektionen könnten etwa daran begründet liegen, dass Omikron das tiefe Lungengewebe weniger befällt (worauf Labor-Studien hindeuten), aber ein wesentlicher Teil des beobachteten Effektes wird darin begründet liegen, dass Genesene und Geimpfte einen Teilschutz vor schweren Verläufen behalten, auch wenn der Schutz durch Antikörper schon erheblich abgebaut hat:

Zwar kann Omikron die Immunität von Genesenen und Zweifachgeimpften offenbar sehr gut durchbrechen – und auch die Booster-Dosis schützt nur wenige Monate wirksam vor einer Omikron-Infektion. Aber ein Schutz vor Hospitalisierung besteht offenbar deutlich länger (durch die T-Zell-Antwort), wie die Hospitalisierungsdaten aus GB zeigen.

Dargestellt hat die UKHSA den Hazard Ratio (im Vergleich zu Umgeimpften) für eine Krankenhauseinweisung (in GB) innerhalb von 14 Tagen nach einem positiven Coronatest, unterschieden nach der Omikron-Variante und der (vorher dominanten) Delta-Variante:

Impfstatus Omicron Delta
Ungeimpft oder weniger als 28 Tage seit Impfung 100% (Referenz) 100% (Referenz)
Eine Impfdosis (mehr als 28 Tage her) 102% 42%
Zwei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 35% 18%
Drei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 19% 15%

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 9, Table 4)

Omikron ist erfolgreicher als alle anderen Corona-Varianten zuvor

Die Omikron-Variante ist sehr erfolgreich und die schnelle Ausbreitung (siehe aktuell USA, GB, Frankreich, …) mit Verdopplungszeiten von 2 bis 3 Tagen ist beeindruckend. Die Infektionszahlen sind aktuell in diesen Ländern so hoch wie noch nie. Frankreich etwa hat aktuell mehr als 200000 Corona-Infektionen pro Tag.

Da Omikron doppelt Geimpfte (2x) und Genesene so erfolgreich infiziert, sind 2G-Veranstaltungen (ohne Maske) nicht mehr sicher – zumindest wenn man Infektionen vermeiden will.

Aber sind viele Infektionen den überhaupt ein Problem?

Man kann grob überschlagen: Wenn im Vergleich zu Delta 2/3 weniger Infizierte ins Krankenhaus kommen, kann Deutschland sich im Vergleich zu vergangenen Wellen etwa dreimal so viele Infektionen (gleichzeitig) leisten, ohne die Krankenhäuser zu überlasten. Das wären allerdings immernoch zu viel.

Daher bleibt das Tragen von (dichten!) FFP2-Masken umso wichtiger.

Und es bleibt ein großes Fragezeichen: Etwa 10 Prozent der Corona-Infizierten entwickeln Long Covid bzw. Post Covid. Das reicht von anhaltender Geschmacksveränderung bis zur Berufsunfähigkeit.

Die Große Frage ist: Schützen die Impfungen (bei einem Impfdurchbruch, der bei Omikron wahrscheinlicher geworden ist) auch vor Long Covid?

Generell scheinen Impfdurchbrüche bei Corona bzgl. der Langzeitfolgen (die auch bei milden Verläufen dokumentiert sind) nicht völlig harmlos zu sein:

„Receiving at least one COVID-19 vaccine dose was associated with a significantly lower risk of respiratory failure, ICU admission, intubation/ventilation, hypoxaemia, oxygen requirement, hypercoagulopathy/venous thromboembolism, seizures, psychotic disorder, and hair loss (each as composite endpoints with death to account for competing risks; HR 0.70-0.83, Bonferroni-corrected p<.05), but not other outcomes, including long-COVID features, renal disease, mood, anxiety, and sleep disorders. Receiving 2 vaccine doses was associated with lower risks for most outcomes.“

https://www.gov.uk/government/news/covid-19-variants-identified-in-the-uk

Nachtrag (5.1.2022):  Leicht anderes Bild in der Studie vom Imperial College

Die obigen Daten werden ergänzt von den Ergebnissen des Imperial College

Report 50: Hospitalisation risk for Omicron cases in England, Neil Ferguson, Azra Ghani, Wes Hinsley and Erik Volz on behalf of the Imperial College COVID19 response team
https://www.imperial.ac.uk/media/imperial-college/medicine/mrc-gida/2021-12-22-COVID19-Report-50.pdf

Auch dieser Report weist in Richtung milderer Verläufe durch Omikron.

Der Report nennt in Tabelle 3 („Corrected“) für Ungeimpfte eine Reduktion der Gefahr der Hospitialisierung durch Omikron um 24% im Vergleich zu Delta (Hazard Ratio relative to primary Delta infection in unvaccinated: 0,76).

Die Wirksamkeiten der Impfstoffe in Tabelle 3 zeigen ein etwas uneinheitliches Bild, was durch relativ kleine Zahlen in den Zeilen erklärbar ist. Wenn man nur die Zeilen anschaut, die mehr als 10000 Fälle enthalten, dann erhält man für

  • zwei Dosen AstraZeneca einen Hazard Ratio im Vergleich zu Delta von 0,37
  • und für 2 Dosen mRNA-Impfstoff einen Hazard Ratio im Vergleich zu Delta von 0,26

für Krankenhausaufenthalt nach Omikron-Infektion im Vergleich zu Delta. Beides mindestens 14 Tage nach der zweiten Dosis. Aus anderen Zeilen ergibt sich zum Teil ein etwas schlechteres Bild bezüglich des Impfstoffschutzes vor Krankenhausaufnahme.

Achtung: In der Tabelle oben war der Hazard Ratio im Vergleich zu Ungeimpften aufgeführt, hier ist es der Hazard Ratio im Vergleich zu einer Delta-Infektion.

17. Dezember 2021 – Oliver Rheinbach

Wir sollten uns vor den Weihnachtsfeierlichkeiten auf Corona testen lassen, aber…

… man muss bedenken, dass sogar PCR-Tests am Tag vor Symptombeginn eine Falsch-Negativ-Rate von mehr als 50 Prozent haben.

„Over the 4 days of infection before the typical time of symptom onset (day 5), the probability of a false-negative result in an infected person decreases from 100% (95% CI, 100% to 100%) on day 1 to 67% (CI, 27% to 94%) on day 4. On the day of symptom onset, the median false-negative rate was 38% (CI, 18% to 65%). This decreased to 20% (CI, 12% to 30%) on day 8 (3 days after symptom onset) then began to increase again, from 21% (CI, 13% to 31%) on day 9 to 66% (CI, 54% to 77%) on day 21.“ https://doi.org/10.7326/M20-1495

Corona-Infizierte können aber bereits 4 Tage vor Symptombeginn infektiös sein:

„[…] we need to look back at least 4 days to catch 90% of presymptomatic infections.“ https://doi.org/10.4414/smw.2020.20336

Einschub (20.12.2021): Testen bringt alleine also keine Sicherheit. Testen ist natürlich dennoch sinnvoll, denn immerhin erkennt man damit einen Teil der Infektionen. Eine Kombination mit rechtzeitiger Kontaktreduktion vor den Feiertagen ist daher sinnvoll.

In vielen Fällen sind Schnelltests (erfahrungsgemäß) erst nach Symptombeginn, oft sogar erst am zweiten Tag nach Symptombeginn positiv.

Die Referenz für die Bewertung von Schnelltests ist immer die PCR, d.h. die Tests können nicht besser als die PCR sein. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verlangt von Schnelltests 80 Prozent Sensitivität im Vergleich zur PCR:

Kriterium Antigenschnelltest: >80% von unselektierten PCR-positiven Proben positiv im SARS-CoV-2 AntigenschnelltestPaul-Ehrlich-Institut: „Mindestkriterien für SARS-CoV-2 Antigentests im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO: Antigenschnelltests“

Die Sensitivität ist die Trefferquote (Richtig-Positiv-Rate, True Positive Rate, TPR) im Vergleich zur PCR.

Hier die Liste des BfArM von Selbsttests, die durch das PEI bewertet wurden.

Ein Test ist aber (sofern keine Testknappheit herrscht) dennoch vor den Weihnachtsfeiern dennoch sinnvoll. Denn im Einzelfall, d.h. bei Personen mit hoher Viruslast (und entsprechend hoher Infektiösität) kann laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) der Schnelltest anschlagen:

„Dies ist in der präsymptomatischen (1-3 Tage vor
Symptombeginn) und frühen symptomatischen Phase der Erkrankung innerhalb der ersten 5-7 Tage, vor Beginn der Antikörperbildung, der Fall.“
Paul-Ehrlich-Institut: „Mindestkriterien für SARS-CoV-2 Antigentests im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO: Antigenschnelltests“

Bezüglich der Spezität (Richtig-Negativ-Rate, True Negative Rate, TNR) verlangt das PEI 97%:

Methodik: Untersuchung von mindestens 100 asymptomatischen Personen ohne konkretes Expositionsrisiko im SARS-CoV-2 Antigenschnelltest; Abklärung etwaiger reaktiver Proben mittels PCR.
Kriterium Antigenschnelltest: Spezifität >97%

Paul-Ehrlich-Institut: „
Mindestkriterien für SARS-CoV-2 Antigentests im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO: Antigenschnelltests“

Das schnelle Wachstum der Omikron-Variante (die Omiron-Welle wird in Deutschland Laufe des Januars klar erkennbar werden) macht Tests wieder wichtiger, da sie Geimpfte und Genesene infizieren kann. Durch zwei Impfdosen ist wahrscheinlich praktisch kein Infektionsschutz mehr gegeben (<30%) und auch mit einer frischen (!) Boosterdosis ist der Schutz vor Infektion wahrscheinlich eher bei 70% als bei 90%.

08. Dezember 2021 – Oliver Rheinbach

Gegen die Omikron-Variante (B.1.1.529) wird man wohl die dritte Impfdosis brauchen…

Die Immunflucht gegen die Omikron-Coronavariante wurde nun erstmals öffentlich quantifiziert: Die neutralisierenden Antikörpertiter gegen Omikron sind (in einer groben ersten Abschätzung von Alex Sigal am Africa Health Research Institute anhand von 12 Personen mit Biontech-Impfung) um den Faktor 41 erniedrigt. Siehe etwa die aktuelle Meldung von NTV.

Gegen Delta waren die neutralisierenden Titer (nur) um etwa den Faktor 6 im Vergleich zum Wildtyp erniedrigt (in Wall et al. in Lancet wurde z.B. der Wert 5,8 für Biontech gefunden).

Was bedeutet das?

Der Zusammenhang zwischen den neutralisierenden Antikörpertitern und der Wirksamkeit ist (zumindest zwischen 30 und 90 Prozent Wirksamkeit) grob logarithmisch (Khoury et al.: Fig. 1). Darüber nimmt der Nutzen von mehr Antikörpern ab.

Ein Faktor 10 in den Titern macht dabei den Unterschied zwischen etwa 60% Wirksamkeit und 95% Wirksamkeit (Khoury et al.: Fig. 2).

Etwas mehr als ein Faktor 10 in den Titern liegt zum Beispiel zwischen den chinesischen CoronaVac-Impfstoff (Wirksamkeit etwa 50 Prozent) und Biontech (Wirksamkeit 95% gegen symptomatischen Infektion – gilt gegen den Wildtyp, für einen frisch geimpften „jungen“ Menschen), siehe Fig. 1 in Khoury et al.

Man könnte also verkürzt sagen: Faktor 10 Reduktion (etwa 2 hoch 3,3) macht aus einer Biontech-Impfung eine CoronaVac-Impfung.

Man kann versuchen aus den Abbildungen Fig. 1 und Fig. 2 aus Khoury et al. grob abzuschätzen, bei welcher Wirksamkeit man für Biontech gegen Omikron (Faktor 41 ist ungefähr 2 hoch 5,4) landen wird: Aus einer frischen Biontech-Impfung mit 95 Prozent Wirksamkeit wird Omikron demnach weniger als 30% Wirksamkeit machen. Ist die Wirksamkeit der Biontech-Impfung nach wenigen Monaten auf 80% abgesunken (was etwa den Schutz von Genesenen entspricht), kommt man bei einen Schutz gegen Omikron von deutlich unterhalb von 30% aus (unterhalb von 30% beanspruchen die Autoren keine Gültigkeit des Modells mehr). Auch für Moderna sieht die Sache nicht viel besser als. Für andere Impfstoffe sieht die Sache noch schlechter aus.

Das heißt vorsichtig formuliert: Für Genesene und (nicht ganz frisch) Zweifach-Geimpfte kann man mit dem Model aus Khoury et al. grob abschätzen, dass gegen Omikron nur ein Schutzlevel (gegen symptomatische Infektion) von weniger als 30% erreicht werden könnte.

Die Daten aus dem Artikel sind nur auf Anfrage erhältlich, daher kann man die Abschätzung nur grob machen, aber vielleicht frage ich die Daten mal an.

Das bedeutet, dass ein Schutz vor Infektion wohl nur durch die dritte Dosis (=die Booster-Impfung) erreicht werden kann. Sie erhöht die Antikörperlevel erheblich und (zumindest für den Biontech-Booster und den Moderna-Booster) deutlich über die Level nach der zweiten Dosis hinaus.

Wir sind wohl in einer ähnlichen Lage wie Großbritannien zu Beginn seiner Impfkampagne. Es hatte zu Beginn die Erstimpfungen priorisiert und die Zweitimpfungen aufgeschoben, weil eine Dosis schon eine gute Wirksamkeit zeigte. Wegen Delta musste diese Strategie dann schnell geändert werden und die zweiten Impfdosen wurden vorgezogen.

Jetzt sieht es so aus, dass erst eine dritte Dosis (mit noch höheren Antikörpertitern) akzeptablen Schutz vor der Omikron-Variante geben wird. Da man das Spiel nicht ewig so weiter machen kann, wird man ab Sommer 2022 wohl im großen Stil Variantenimpfstoffe verimpfen (müssen).

Quellen:

Hier die Quelle zum Modell, das den Zusammenhang von neutralisierenden Antikörpertitern gegen SARS-Cov-2 und der Wirksamkeit herstellt:

Khoury, D.S., Cromer, D., Reynaldi, A. et al. Neutralizing antibody levels are highly predictive of immune protection from symptomatic SARS-CoV-2 infection. Nat Med 27, 1205–1211 (2021). https://doi.org/10.1038/s41591-021-01377-8

Das Modell im Artikel hat auch einigermaßen akkurat den Wirksamkeitsrückgang der Impfstoffe über die Zeit vorhergesagt.

Der Cohn et al. in Science zeigt deutlich die Abnahme der Wirksamkeit von Janssen, Biontech und Moderna über die Zeit. Die Abnahme ist allerdings auch durch das Aufkommen von Delta mitverursacht.

SARS-CoV-2 vaccine protection and deaths among US veterans during 2021
Barbara A. Cohn, Piera M. Cirillo, Caitlin C. Murphy, Nickilou Y. Krigbaum, and Arthur W. Wallace, Science • 4 Nov 2021 •DOI: https://dx.doi.org/10.1126/science.abm0620
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Nachträge (09.12.2021):
a) Hier der entscheidende Ausschnitt aus dem Preprint auf den sich Sigal bezogen hat:
Cele et al., „SARS-CoV-2 Omicron has extensive but incomplete escape of Pfizer BNT162b2 elicited neutralization and requires ACE2 for infection“:
Geometric mean titer (GMT) FRNT50 (inverse of the plasma dilution required for 50% reduction in infection foci number) was 1321 for D614G. These samples therefore had very strong neutralization of D614G virus, consistent with sampling soon after vaccination. GMT FRNT50 for the same samples was 32 for Omicron, a 41-fold decline (Fig 1B). However, the escape was incomplete, with 5 of the participants, all previously infected, showing relatively high neutralization titers with Omicron.Link
b) Heute hat Sandra Ciesek dazu passende Ergebnisse als Preprint veröffentlicht:
Wilhelm et al. „Reduced Neutralization of SARS-CoV-2 Omicron Variant by Vaccine Sera and monoclonal antibodies“ Link
Our in vitro findings using authentic SARS-CoV-2 variants indicate that in contrast to the currently circulating Delta variant, the neutralization efficacy of vaccine-elicited sera against Omicron was severely reduced highlighting T-cell mediated immunity as essential barrier to prevent severe COVID-19.
Die erst kürzlich auf den Markt gekommenen Antikörper-Medikamente sind gegen Omikron wirkungslos:
Since SARS-CoV-2 Omicron was resistant to casirivimab and imdevimab, genotyping of SARS-CoV-2 may be needed before initiating mAb treatment.
Die Gruppe um Ciesek untersucht auch die Wirksamkeit verschiedener Impfschemata. Das Omikron-Virus für die Untersuchungen stammt offenbar von einem Impfdurchbruch eines Moderna-Geimpften (die Messungen verwenden also das echte Omikron, kein Pseudovirus).
Das Team um Ciesek findet gegen Omikron Reduktionen der Neutralisation um den Faktor 10 bis 38.
Das hört sich besser an als die Ergebnisse von Sigal. Aber die schlechte Nachricht dabei ist, dass die niedrigeren Faktoren (10fach, 11,4fach und 20fach) da gemessen wurden, wo sowieso schon nicht mehr so viele Antikörper vorhanden waren, nämlich 6 Monate nach 2x Biontech, 2x Moderna und 1x AstraZeneca + 1x Biontech. In allen diesen Fällen waren nämlich überhaupt eine messbaren Antikörper gegen Omikron vorhanden.
Für die betrachteten Impfschemata mit drei Dosen (d.h. mit Booster) sind die Reduktionsfaktoren 37fach, 24,5fach, 22,7fach und 27,1fach.
Die noch schlechtere Nachricht dabei ist aber, dass durchaus viele Dreifach-Geimpfte überhaupt keine messbaren Titer gegen Omikron gezeigt haben (siehe Abbildung 1 des Preprints).
Genauer:
3x Biontech (frisch): 42 Prozent der Geimpften haben keine messbaren Titer gegen Omikron
3x Biontech (3 Monate her): 75 Prozent keine Titer gegen Omikron
Infektion+2x Biontech: 75 Prozent keine Titer gegen Omikron
2x Moderna+1x Biontech (frisch): 22 Prozent keine Titer gegen Omikron
1x Astra + 2x Biontech (frisch): 62 Prozent keine Titer gegen Omikron.
Das beste Impfschema ist hier noch 2x Moderna + 1x Biontech.
Es bleibt die Hoffnung, dass die T-Zell-Antwort dennoch vor schweren Verläufen schützen könnte. Ob das so ist wird man nun in wenigen Wochen in Deutschland beobachten können.
Hier der relevante Ausschnitt aus dem kurzen Preprint:
To evaluate the protective capacity, antibody-mediated neutralization efficacy against authentic SARS-CoV-2 Omicron was determined in vitro using an isolate obtained from a double 1273-mRNA-vaccinated travel returnee from Zimbabwe and compared to Delta. Neutralization performed with sera from double (no-booster) or triple BNT162b2-vaccinated (sampled 0.5 or 6 months after boosting) revealed an 11.4-, 37.0- and 24.5-fold reduction, respectively (Figure 1A). Sera from double mRNA1273-vaccinated (no-booster) and additionally BNT162b2-booster (sampled 0.5 or 6 months after booster vaccination) showed a 20- and 22.7-fold reduction in the neutralization capacity (Figure 1B). Poor neutralization against Delta and no efficacy against Omicron were observed using sera from heterologous ChAdOx1 and BNT162b2 vaccinated individuals (Figure 1C). Additionally, the BNT162b2-booster group showed a significant increase of NAb titers but a 27.1-fold reduction in neutralization against Omicron. (Figure 1C). Convalescent sera poorly neutralize VoCs, however in combination with vaccination provides  superior protection. Neutralization of Omicron was 32.8-fold reduced using sera from double BNT162b2-vaccinated and infected individuals (Figure 1A).Link

 

Nachtrag (11.12.2021): Auch Biontech geht inzwischen (nach eigenen Laborversuchen) davon aus, dass durch zwei Impfdosen kein Schutz vor Omikron besteht. Die dritte Biontech-Dosis soll nun die Antikörperkonzentration (zumindest kurz nach der dritten Impfung) so hoch anheben, dass ein gewisser Schutz vor Omikron gegeben sein kann. Allerdings sind Omikron-Impfdurchbrüche auch nach Boostern bereits bekannt (und das passt ins Bild).
Letztlich bleibt aber zu hoffen, dass die Impfung dennoch einen Schutz vor schweren Verläufen bietet (könnte sein) und auch vor Long Covid. Allerdings gibt es Studien, die Long Covid bei Impfdurchbrüchen ähnlich häufig beobachten, wie bei Infektionen ohne Impfung. Ohne Omikron wären die Impfdurchbrüche (zumindest nach frischer Impfung) selten geblieben, das könnte sich mit Omikron ändern.

Nachtrag (11.12.2021): Die Ausbreitung von Omikron in Großbritannien und Dänemark sind besorgniserregend, die Verdopplungszeiten sind mit 2 bis 3 Tagen extrem kurz. Auch in Südafrika breitet sich Omikron schneller aus als alle anderen Varianten zuvor.

Nachtrag (12.12.2021): Bei einer bundesweiten 7-Tage-Inzidenz von 429 (wieder sinkend), nicht wenigen Hotspots in Sachsen und Thüringen zwischen 1000 und 2000 lohnt ein erster kurzer Rückblick auf die aktuelle Delta-Welle (die aber auch wieder ansteigen kann). Von vielen Politikern hieß es in den letzten Wochen, die Delta-Welle sei eine große Überraschung.

Dazu ein Zitat auf diesem Blog vom 27.7.2021 als Antwort auf einen Kommentar u.a. zu Infektionen in Schulklassen:

Ein R-Wert von 25 kommt mir etwas hoch vor (das waere die gesamte Klasse), aber inzwischen herrscht ja Konsens, dass Inzidenzen von 400 oder 800 im Herbst realistisch sind, aufgrund der hohen Infektiösität der Deltavariante – und weil auch Geimpfte Deltainfektionen weitergeben können.

Aktuell (im Sommer), könnte man die Infektionszahlen stabil niedrig halten, wenn alle Menschen etwas vorsichtiger bleiben würden, das würde die Lage im Herbst verbessern. Dazu wäre kein Lockdown nötig. Stattdessen sehe ich nur Menschen (gut, die Vorsichtigen sind weniger sichtbar), die sich verhalten, als gäbe es die Deltavariante nicht.

Mit dem klaren Szenario einer Delta-Welle im Herbst ist z.B. irritierend:
a) Die Abschaffung der Maskenpflicht in Geschäften in einige Bundesländern – mir ist die Maske lieber als alles andere (Ausgangssperre, Kontaktsperre, …)
b) Dass tatsächlich keine Maske mehr getragen wird.

Nachtrag (2.1.2022): Inzwischen berichtet die UK Health Security Agency von Ihren Daten zur Omikron-Welle in Großbritannien. Es zeigt sich, dass die Vermutungen aus dem oben diskutierten Modell sich bestätigen. Zwei Dosen der aktuellen Impfstoffe (AstraZeneca, Biontech/Pfizer und auch Moderna) sind gegen eine symptomatische Infektion durch Omikron 20 Wochen nach der Impfung praktisch wirkunglos geworden, genauer gesagt sieht man in GB eine Impfstoffwirksamkeit von nur noch etwa 10%. („down to around 10% by 20 weeks after the second dose.„. Diese Aussagen sind ziemlich belastbar, da GB in der Omikron-Welle inzwischen auf mehr als eine halbe Million Omikron-Infektionen hatte.

Hier das vollständige Zitat aus dem Abschnitt „Vaccine effectiveness“ aus Seite 10:

„Among those who had received 2 doses of AstraZeneca, there was no effect against Omicron from 20 weeks after the second dose. Among those who had received 2 doses of Pfizer or Moderna effectiveness dropped from around 65 to 70% down to around 10% by 20 weeks after the second dose.“

Quelle: UK Health Security Agency: „SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England – Technical briefing: Update on hospitalisation and vaccine effectiveness for Omicron VOC-21NOV-01 (B.1.1.529)
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf

Die dritte Dosis (Booster-Dosis) erhöht die Wirksamkeit gegen symptomatische Infektion wueder auf 65% bis 75%, aber die Wirksamkeit geht schnell zurück. Sie fällt schon nach 10 Wochen auf 40% bis 50%:

„2 to 4 weeks after a booster dose vaccine effectiveness ranged from around 65 to 75%, dropping to 55 to 70% at 5 to 9 weeks and 40 to 50% from 10+ weeks after the booster.“

Quelle: UK Health Security Agency: „SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England – Technical briefing: Update on hospitalisation and vaccine effectiveness for Omicron VOC-21NOV-01 (B.1.1.529)
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf

Das bedeutet, dass man die Omikron-Welle durch Booster-Impfungen alleine (selbst, wenn sie schnell genug wären) nicht gut in den Griff bekommen kann. Es gibt aber auch gute Nachrichten zu Omikron. So sind die Verläufe, die ins Krankenhaus führen, in GB offenbar deutlich seltener als noch zuvor bei Delta.

Nachtrag (2.1.2022): Die guten Nachrichten zu Omikron aus GB sind

„Protection against hospitalisation from vaccines is good against the Omicron variant. One dose of any vaccine was associated with a 35% reduced risk of hospitalisation among symptomatic cases with the Omicron variant, 2 doses with a 67% reduction up to 24 weeks after the second dose and a 51% reduced risk 25 or more weeks after the second dose. A third dose was associated with a 68% (95% confidence interval 52 to 82%) reduced risk of hospitalisation when compared to similar unvaccinated individuals. When the reduced risk of hospitalisation was combined with vaccine effectiveness against symptomatic disease, the vaccine effectiveness against hospitalisation was estimated as 52% after one dose, 72% 2 to 24 weeks after dose 2, 52% 25+ weeks after dose 2 and 88% 2 weeks after a booster dose.“

https://www.gov.uk/government/news/covid-19-variants-identified-in-the-uk

und

„An update on the analysis published last week finds the risk of presentation to emergency care or hospital admission with Omicron was approximately half of that for Delta (Hazard Ratio 0.53, 95% CI: 0.50 to 0.57). The risk of hospital admission from emergency departments with Omicron was approximately onethird of that for Delta (Hazard Ratio 0.33, 95% CI: 0.30 to 0.37). These analyses were stratified on date of specimen and area of residence and further adjusted for age, sex, ethnicity, local area deprivation, international travel, vaccination status.“

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 4,
Study 1:Risk of hospitalisation)

Bei den Hospitalisierungen zeigt sich, dass auch 2 Impfdosen noch einen Schutz bieten (Table 4 auf Seite 9; hier ohne die Konfidenzintervalle)

Impfstatus Omicron Delta
Ungeimpft oder weniger als 28 Tage seit Impfung 100% (Referenz) 100% (Referenz)
Eine Impfdosis (mehr als 28 Tage her) 102% 42%
Zwei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 35% 18%
Drei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 19% 15%

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 9, Table 4)

Nachtrag (nur für die Akten): Die oben gemachten Vorhersagen basierend auf dem Model aus Khoury et al. und der Quantifizierung der Immunflucht von Alex Sigal haben sich inzwischen ziemlich genau in der wahren Welt bestätigt, siehe die Zahlen des UKHSA (press release 27. Jan. 2022):

„An initial analysis of vaccine effectiveness against the Omicron variant sub-lineage known as BA.2 (designated VUI-22JAN-01 on 19 January), reveals a similar level of protection for symptomatic infection compared to Omicron (BA.1). After 2 doses, effectiveness was 9% and 13% respectively for BA.1 and BA.2, after 25+ weeks. This increased to 63% for BA.1 and 70% for BA.2 from 2 weeks following a booster vaccine.“ UKHSA (press release 27. Jan. 2022)

D.h. Schutz gegen symptomatische Infektion liegt bei zwei Impfdosen bei 9% für Omikron BA.1 und 13% für Omikron BA.2 (nach 25 und mehr Wochen). Schutz gegen Infektion ist also praktisch nicht vorhanden. Unmittelbar nach der dritten Dosis (Booster) steigt der Schutz auf 63% (BA.1) bzw. 70% (BA.2). Der Schutz erreicht also nicht mehr die Höhe, wie gegen den Wildtyp, gegen den die Impfstoffe entwickelt wurden.

Die gute Nachricht ist, dass der Schutz gegen Krankenhauseinweisung auch 9 Wochen nach dem Booster gut bleibt:

„After a Moderna booster (mRNA-1273) (after either primary vaccination course), vaccine effectiveness against hospitalisation was 90% to 95% up to 9 weeks after vaccination. Longer follow-up data is not yet available and these figures may change with time.“ UKHSA (press release 27. Jan. 2022)

06. Dezember 2021 – Oliver Rheinbach

Was wir über Omicron (B.1.1.529) wissen…

Aktuell wissen wir über die Corona-Variante Omicron (B.1.1.529) noch nicht viel Gesichertes.

Es wird berichtet, dass die Variante in Südafrika sehr erfolgreich ist und dort aus einem R nahe 1 ein R nahe 2 macht. Die Mutationen weisen auf eine Immunflucht hin.

Südafrika hat allerdings eine eine (im Vergleich zu Deutschland) sehr junge Bevölkerung. Die Geburtenrate von 1,7% rechnet sich um in eine Verdopplung der Bevölkerung alle etwa 40 Jahre. Die junge Bevölkerung lässt eine hohe Dunkelziffer (und daher hohe Genesenenrate) erwarten. Die offizielle Genesenenrate ist allerdings ähnlich hoch wie in Deutschland (etwa 6 Prozent). Südafrika hat eine (im Vergleich zu Deutschland – mit aktuell 68,9 Prozent) niedrige Impfquote (35 Prozent).

In dieser Umgebung kann der Ansteckungserfolg der Omicron-Variante in Südafrika daran liegen, dass sie noch ansteckender als Delta ist (für Delta findet man geschätzte R0-Werte zwischen 5 und 6 in der Literatur). Der Erfolg kann aber auch daran liegen, dass die Omicron-Variante Genesene und/oder Geimpfte erfolgreicher infiziert als Delta.

Um mehr zu wissen, ist es extrem wichtig, die aktuellen Omicron-Infektionscluster in Europa genau zu untersuchen.

Der R0-Wert könnte für Omicron sogar unterhalb des R0-Wertes von Delta liegen, wenn Omicron sehr erfolgreich Genesene und/oder Geimpfte infiziert. Tatsächlich verliert der R0-Wert, der sich auf eine vollständig empfängliche („naive“) Bevölkerung bezieht, an Bedeutung, weil inzwischen überall auf der Welt eine (Teil-)Immunität existiert.

Sobald in wissenschaftlichen Artikeln publizierte Schätzungen zum R0-Wert von Omicron (und zur Immunflucht) vorliegen, werde ich sie hier ergänzen.

Aktuell werden Zahlen zwischen R0=3 und R0=10 gehandelt. Der niedrige Wert R0=3 bezieht sich auf den Fall, dass Omicron Geimpfte und Genesene sehr erfolgreich infiziert (ohne dass das schwere Verläufe bedeuten muss). Der hohe Wert kommt für den Fall heraus, dass der Erfolg von Omicron fast ausschließlich auf hoher Infektiösität beruht. In diesem Fall wäre Omicron nahe am R0-Wert von Windpocken (R0=10 bis 12).

Nachtrag (8.12.21): Inzwischen weisen erste Versuche auf eine starke Immunflucht durch Omikron.