18. April 2020 – Oliver Rheinbach Allgemein

Verdopplung, Verdopplung (Verdopplungszeiten bei SARS-CoV-2-Infektionen)

Anfang März 2020 verdoppelte sich die Zahl der SARS-CoV-2-Infizierten alle 2 bis 3 Tage (siehe auch die Abbildung hier).

Die Verdopplungszeit ist eine griffige Art, exponentielles Wachstum und seine Geschwindigkeit greifbarer zu machen. Relativ schnell haben fast alle Medien Verdopplungszeiten zusätzlich zu den Infektionszahlen angegeben, offenbar (auch?) inspiriert von einem Blog. (Der kleine Bruder der Verdopplungszeit ist die Halbwertszeit – Ältere erinnern sich noch an Tschernobyl, aber das ist eine andere Geschichte.)

Bei exponentiellem Wachstum f(t)=eat für ein a>0 ist die Verdopplungszeit tV=ln(2)/a, wie man schnell nachrechnet. Eine schnelle Probe: Für a=ln(2), also f(t)=eln(2)t=2t ist die Verdopplungszeit dann natürlich tV=1.

Folgt eine Größe (etwa die Infektionszahlen) einem exponentiellem Wachstumsgesetz f(t)=eat, ist die Verdopplungszeit konstant (s.o.). Ändert sich die Verdopplungszeit, ist es keine Exponentialfunktion eat mehr.

Übrigens, fast alle BWLer und Bänker kennen die sogenannte 70er-Regel: Wächst die Zahl der Infizierten jeden Tag um x Prozent, dann ist die Verdopplungszeit (ungefähr) 70/x. Bei 5 Prozent Zinsen verdoppelt sich die Einlage also in 14 Jahren. Die Regel kommt daher, dass ln(2) ungefähr 0,69315 ist, also fast 0,7.

Nochmal Übrigens: Jeder Informatiker hat im Kopf, dass 210=1024, also ungefähr 1000. Demnach ist 220 unfähr eine Million. Das wiederum heißt, dass aus einem einzigen Infiziertem nach 26 Verdopplungen mehr als 64 Millionen Infizierte werden. Übrigens, 1 KiB=1024 Byte und 1 kB=1000 Byte.

Bei einer Verdopplungszeit von 2,6 Tagen, wie sie SARS-CoV-2 sie in Deutschland Anfang März hatte (siehe hier), hätten also etwas mehr als 2 Monate genügt, bis die gesamte deutsche Bevölkerung infiziert gewesen wäre. (Allerdings folgt eine Durchseuchung nur in der Anfangsphase einem exponentiellen Gesetz.)

Die Verdopplungszeit machte Karriere, als ihre Verlängerung auf 10 oder mehr Tage erklärtes Ziel der Bundesregierung wurde. Spätestens jetzt fingen Diskussionen an, denn wie die Verdopplungszeit berechnet werden soll, wenn gar keine Exponentialfunktion eat vorliegt. Die Zeitung „Die Zeit“ etwa gibt in ihren Graphiken an, wieviele Tage es her ist, dass die Infiziertenzahl halb so hoch war wie heute. Andere Medien scheinen die Verdopplungszeit anhand der Infiziertenzahlen der letzten (beiden?) Tage zu berechnen.

Ein Analysis-Professor aus Bielefeld hat in den Medien (etwa hier und hier) und auf Youtube die Verdopplungszeit(en) und ihre Berechnung diskutiert und ein mathematisch relativ naheliegendes Verfahren zur Berechnung vorgeschlagen: Da die Verdopplungszeit sich ändert, sollte man Daten aus den letzten Tagen nehmen, aber mehr als nur die letzten zwei Tage, um Schwankungen wegen Wochenendeffekten etc. zu verringern. Zum Beispiel könnte man daher die letzten 7 Tage nehmen.

Diese Zahlen werden dann logarithmiert. Anders als hier, zu Anfang der Epidemie und ohne Maßnahmen, werden die Datenpunkte nun eher nicht auf einer Geraden liegen. Daher ist es sinnvoll, mit der Methode der Kleinsten Quadrate eine (möglichst einfache) Kurve die Daten anzupassen. Einfach ist etwa ein Polynom zweiten Grades. Letztlich ist man an dann der Steigung der Kurve am heutigen Tag interessiert, also an der Ableitung des Polynoms zum heutigen Zeitpunkt.

Wenn man die Verdopplungszeiten als Leistungsparameter definieren will, ist das sicher eine gute Methode. Das Verfahren ist z.B. exakt, wenn (nach Logarithmierung) tatsächlich ein Polynom zweiten Grades vorliegt (anders als wenn man nur die letzten zwei Tage auswertet).

Letztlich ist aber die Verdopplungszeit vielleicht gar kein gutes Maß, denn wir wollen die Epidemie ja eindämmen, also bestenfalls überhaupt kein Wachstum mehr haben. Tatsächlich weisen eigene Medien für asiatische Länder, die erfolgreiche Eindämmung betrieben haben (erfolgreicher als Europa?) , Verdopplungszeiten von unendlich aus.

Stattdessen wird jetzt über die Reproduktionszahl R bzw. R0 gesprochen. Dieser Begriff hat aber auch seine Schwierigkeit, weil dazu eigentlich eine Zeitskala gehört, etwa die Generationenzeit. Hier ein Artikel zur Schätzung von R0 und der Generationenzeit für SARS-CoV-2 zum Zeit des exponentiellen Wachstums in China.

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