Nachtrag (19.11.2020): Inzwischen gibt es auf dem deutschen Markt durchaus Anbieter von FFP2 bzw. CPA-Masken (Schnellzulassungsverfahren in Anlehnung an FFP2). Das ist auch das Verdienst von mittelständischen Unternehmen. Etwa produzieren einige Automobilzulieferer in Süddeutschland CPA-Masken, und ein Vlieshersteller produziert in Sachsen Masken, die inzwischen CPA-zertifiziert sind. FFP2-Masken namhafter westlicher Medizintechnikhersteller kosten aktuell ca. 6 bis 8 Euro das Stück (nach bis zu 20 Euro im Sommer, falls überhaupt lieferbar). CPA-Masken aus deutsche Produktion kosten aktuell ca. 3 Euro. Nachdem im Sommer fernöstliche KN95 Masken in Europa für 5 bis 10 Euro verkauft wurden, kosten Sie inzwischen ein Bruchteil davon. Allerdings gibt es dabei viele Fälschungen, wie man dem (furchtbar unübersichtlichem) europäischen Produktwarnsystem RAPEX immer wieder entnehmen kann. Das gilt ebenso für fernöstliche Masken, die angeblich FFP2-Masken sind, tatsächlich den Standard aber nicht einhalten.
Beitrag vom 21.08.2020: Bei Alltagsmasken reicht bekanntermaßen das Waschen in der Waschmaschine mit Vollwaschmittel (enthält Natriumpercarbonat, landläufig als Sauerstoffbleiche bekannt); aber wer auf FFP2/KN95/N95-Masken angewiesen ist, um sich zu schützen (etwa vor Ansteckung durch die Luft über Aerosole), steht vor derselben Frage wie die Gesundheitssysteme vieler Länder (darunter die USA und Deutschland): Wie lange kann man FFP2/KN95/N95-Masken verwenden und wie kann man sie nach einem Einsatz sterilisieren?
Die Empfehlungen des RKI (Mögliche Maßnahmen zum Ressourcen-schonenden Einsatz von Mund-Nasen-Schutz (MNS) und FFP-Masken, Stand des Dokumentes 14.04.2020, gültig bis 31.08.2020) vermeidet Hinweise zur Nutzungsdauer und zur Sterilisation: „[Bei der Wiederverwendung ist zu beachten, dass] benutzte Einweg-FFP Masken/MNS nicht mit Desinfektionsmittel zu reinigen oder zu desinfizieren sind, da dies die Funktionalität der Maske negativ beeinflussen kann„. In der Tat raten deutsche Hersteller vor der Sterilisation (wohl auch aus Haftungsgründen) ab.
Die amerikanische Seuchenbehörde CDC hat, aus der Not, deutlich konkretere Vorschläge. Es ist bekannt, dass die Filterleistung von FFP/KN95/N95-Masken mit der Benutzung absinken kann, so dass die Masken anschließend nicht mehr sicher sind (allerdings ist eine solche Maske sehr wahrscheinlich auch dann noch sicherer als Alltagsmasken; s.u.). Die CDC empfiehlt (für amerikanische N95-Masken) unter Krisenbedingungen die Wiederverwendung (limited re-use) von N95-Masken mit einer summierten maximalen Nutzungszeit von 8 bis 12 Stunden (Abschnitt „Extended use of N95 Respirators“; zuletzt am 23.11.2020 geupdated):
„When practicing extended use of N95 respirators, the maximum recommended extended use period is 8–12 hours. Respirators should not be worn for multiple work shifts and should not be reused after extended use.“
Das bedeutet für den privaten Gebrauch, dass man die Maske durchaus wiederverwenden kann. Am Ende eines Tages sollte die Maske dann einige Tage in einer Papiertüte (keine Plastiktüte!) gelagert werden, damit eine eventuelle Virenlast sich langsam abbaut (oder ein paar Tage an einen Haken aufhängen). Auf porösem Material dauert das Abbauen der Viren aber wahrscheinlich mehrere Tage. Wenn man jeden Tag Schutz braucht, braucht man mehrere FFP2/KN95/N95-Masken zum Rotieren. Die Rotationsstrategie (mit einer Maske für jeden Wochentag) ist in der aktuelle Corona-Krise als eine der „Crisis Capacity Strategies (during known shortages)“ (im Abschnitt „Limited Re-use of N95 respirators“) von der US-amerikanische Seuchenbehörde CDC für medizinisches Personal (!) vorgeschlagen worden:
„Each respirator will be used on a particular day and stored in a breathable paper bag until the next week. This will result in each worker requiring a minimum of five N95 respirators if they put on, take off, care for them, and store them properly each day. This amount of time in between uses should exceed the 72 hour expected survival time for SARS-CoV2 (the virus that caused COVID-19).“
Bleibt die Frage nach einer möglichen Desinfektion nach einem Einsatz, wenn man nicht 72 Stunden auf das „Absterben“ des SARS-CoV-2-Virus warten möchte (oder wenn man ganz sicher gehen will).
Der amerikanische Goldstandard zur Desinfektion von N95-Masken in den USA ist „vaporized hydrogen peroxide (VHP)“ (Wasserstoffperoxid-Dampf); diese Technik hat in den USA eine Sondergenehmigung zur Dekontamination von Masken bekommen. Sie steht allerdings in Europa kaum zur Verfügung.
Es geht aber auch mit Low-Tech: In den deutschen Medien relativ präsent (auch nachdem Karl Lauterbach den Artikel getwittert hat) ist ein wissenschaftlicher Artikel aus den USA, der zeigt, dass eine N95-Maske in einem Reiskocher (ohne Wasser!) sterilisiert werden kann. Titel des Artikels ist „Dry Heat as a Decontamination Method for N95 Respirator Reuse“, Hintergrund ist, dass in vielen amerikanischen Haushalten Reiskocher und ähnliche Geräte zur Verfügung stehen. Ein Zyklus im trockenen Reiskocher bedeutet nach den Messungen der Experimentatoren, dass die Maske trockener Hitze von etwa 100 Grad für eine Stunde ausgesetzt ist. Die Masken müssen dabei auf einem Handtuch liegen, weil die Bodenplatte des Kochers ohne Wasser deutlich heißer als 100 Grad wird, wodurch die aufliegende Maske schmelzen würde. Wichtig ist, dass im Artikel auch getestet wurde, dass das betrachtete N95-Modell (3M 1860) die Prozedur auch mehrmals ohne Beeinträchtigung der Filterleistung übersteht. Übrigens kann man sich nicht ganz sicher sein, ob der Reiskocher die Prozedur (ohne Wasser!) öfters übersteht – ein Trockenbetrieb ist ziemlich sicher außerhalb der Designparameter.
Allerdings: Die getestete N95-Maske ist von hoher Qualität und (wie andere N95-Masken) in Europa in der aktuellen Krisenlage praktisch nicht erhältlich. Masken nach europäischem FFP2-Standard müssen immerhin 70 Grad überstehen, sie überstehen aber wahrscheinlich auch 100 Grad. „Echte“ FFP2-Masken von westlichen Herstellern sind aber aktuell weltweit ebenfalls schwer erhältlich. Erhältlich sind chinesische KN95-Masken, die oft etwas zarterer Bauart sind. (Bei vielen mit FFP2 oder N95 gekennzeichneten Masken, die online angeboten werden, dürfte es sich in Wahrheit um Fälschungen handeln oder, so kann immerhin hoffen, um KN95-Masken.) In jedem Fall mag der eine oder andere Nutzer Zweifel haben, ob seine KN95-Maske die 100-Grad-Prozedur (für eine Stunde!) mehrmals übersteht. (Nachtrag 17.01.2021: Inzwischen bekommt man Marken-FFP2-Masken aus westlicher Produktion in Deutschland, die dem getesteten Modell äquivalent sind.)
Die gute Nachricht ist: Es reicht wahrscheinlich auch 70 Grad Hitze (bei hoher Virenlast ist mehr als eine Stunde nötig!), um die Hülle des SARS-CoV-2-Virus zu zerstören, wie dieser Preprint darstellt (Testmodell war eine 3M Aura 9211+). Titel des Artikels ist „Assessment of N95 respirator decontamination and re-use for SARS-CoV-2“.
Nachtrag (17.01.2021): Wer sicher gehen will , sollte 80 Grad wählen. Allerdings sind Backöfen in der Einhaltung der eingestellten Temperatur wohl nicht sehr verlässlich. Deswegen findet man in den Medien auch den Tipp, ein Bratenthermometer zur Temperaturmessung dazu zulegen. Mehr als 100 Grad sollte man aber nicht einstellen, weil etwa die Gummibänder ziemlich sicher leiden werden. Und die beste Filterleistung des Maske nützt nichts, wenn sie nicht dicht sitzt.
Wo ist nun die Regressionsaufgabe? Da der Artikel unter Creative-Common-CC0-Lizenz steht, kann ich hier die wichtigste Abbildung des Artikels wiedergeben (Robert Fischer, Dylan H Morris, Neeltje van Doremalen, Shanda Sarchette, Jeremiah Matson, Trenton Bushmaker, Claude Kwe Yinda, Stephanie Seifert, Amandine Gamble, Brandi Williamson, Seth Judson, Emmie de Wit, Jamie Lloyd-Smith, Vincent Munster: Assessment of N95 respirator decontamination and re-use for SARS-CoV-2, https://doi.org/10.1101/2020.04.11.20062018):
Es sind leider relativ wenig Datenpunkte, aber die Autoren haben dennoch eine Regression vorgenommen (siehe Abbildung). Die Daten sind auf Github (https://github.com/dylanhmorris/n95-decontamination) und OSF (https://osf.io/mkg9b/). Allerdings habe ich die Messwerte zur Abbildung (insbesondere die Virus-Titerdaten) auf die Schnelle dort nicht gefunden. Möglicherweise haben die Autoren erst einmal nur die Daten zu den Versuchskonfigurationen hochgeladen. Jedenfalls können wir hier die Regression nun leider nicht nachrechnen.
Die dargestellten Ergebnisse zeigen aber, dass eine halbe Stunde im 70-Grad-Ofen die Anzahl der Viren um den Faktor 100 reduziert (zweite Spalte; „Heat“). Als dekontaminiert wurde die Maske nach einer Stunde im 70-Grad-Ofen angesehen, womit eine Reduktion der Viren um den Faktor 10000 erreicht wurde. Nach dem Modell der Autoren reduziert übrigens auch eine kurze Erhitzung die Virenlast (allerdings entsprechend weniger).
Behandlung mit 70-prozentigem Alkohol (erste Spalte; „Ethanol“) wirkt auch gut, zerstört aber schon nach zweimaliger Anwendung die Filtereigenschaften der Maske – ohne dass das sichtbar sein muss. Alkohol ist zur Dekontamination also nicht empfohlen.
Allerdings leiden die Masken auch unter der Behandlung mit 70 Grad Hitze: „Fit factors are a measure of filtration performance: the ratio of the concentration of particles outside the mask to the concentration inside. The measurement machine reports value up to 200. A minimal fit factor of 100 (red dashed line) is required for a mask to pass a fit test.“ Dies bedeutet nach den obigen Abbildung, dass man die Maske etwa dreimal mit Hitze behandeln kann, bevor man sie entsorgen (oder für noch schlechtere Zeiten in einer Papiertüte aufbewahren) sollte.
Offenbar leiden die Masken auch einfach an Ihrer Verwendung, wie man an der Spalte „Control“ sehen kann; diese Masken wurden zum Vergleich nicht behandelt.
Nachbemerkung zur Wichtigkeit von Masken: Forscher der ETH Zürich haben bei Betrachtung der Rohdaten eines einflussreichen Nature-Artikels chinesischer Forscher einen Fehler in der Datenanalyse gefunden (veröffentlich am 5.8.2020). Offenbar ist SARS-CoV-2 wesentlich früher ansteckend als gedacht, nicht erst 2 bis 3 Tage vor den ersten Symptomen. Dies hat auch weltweite Folgen für die Nachverfolgungsprozeduren die auf den Nature-Artikel basieren (auch die des RKI in Deutschland):
„Our reanalysis suggests that tracing contacts of infected index cases as far back as 2 or 3 days before symptom onset in the index case might not be sufficient to find all secondary cases.“
Stattdessen finden viele Ansteckungen bis zu 4 Tage vor Eintritt der ersten Symptome statt:
„the corrected distribution tells us we need to look back at least 4 days to catch 90% of presymptomatic infections.“
Auch nach der Korrektur bleibt es dabei, dass über 40 Prozent der Ansteckungen durch Menschen geschieht, die selbst noch keine Erkrankungssymptome spüren, denen die Erkrankung also erst recht nicht anzusehen ist:
„We also found a presymptomatic infection fraction of 45.6% (95% CI 23.8–75.8%) using the He et al. [1] method and 43.7% (95% CI 26.4–64.5%) using the corrected profile.“
Aber vielleicht kann ja ein Hund die SARS-CoV-2-Infektion riechen. Ansonsten bleibt im Zweifel zum Schutz nur Abstand halten, Maske tragen und die Corona-Warn-App.
Noch eine Bemerkung: Hier ein einführender Artikel der CDC zu Masken für medizinisches Personal. Diese Kurzgegenüberstellung von OP-Masken und N95 -Masken (entsprechend FFP2 bzw. KN95) macht auch deutlich, dass die Dichtheit der Maske wesentlich ist, um vor Aerosolen zu schützen. Vor Tröpfchen schützt dagegen schon die einfache OP-Maske. Letzteres gilt, in Abhängigkeit der der Dichtheit des Gewebes, auch für eine Stoffmaske. Ein Beispiel: die waschbare Textilmaske, die ein deutscher Textilhersteller in der Coronakrise entwickelt hat, ist als Medizinprodukt (d.h. als OP-Maske, nicht als FFP-Maske) zertifiziert. Es handelt sich dabei um ein Laminat aus drei Lagen, die zusammen einen sehr dichten Stoff ergeben. Wenn man diesen Stoff gegen das Licht hält, kann man keine Löcher erkennen – anders als bei üblichen Alltagsmasken.
Nachtrag 17.01.2020: Da nun eine bundesweite Pflicht zu FFP2-Masken im Bus und Bahn und im Supermarkt im Raum steht, ist die Frage der Wiederverwendung von FFP2-Masken noch relevanter geworden. Dazu ist auch zu bemerken: Damit die FFP2-Maske (für den Träger und für andere) wirksam ist, muss sie dicht sitzen, genau gesagt dürfen nur etwa 8% des Luftstroms um die Maske herum gehen. Eigentlich müsste jede(r) Träger mal einen Fit-Test machen (ein Riechtest mit einer vernebelten Testsubstanz, etwa Saccharin), um zu verstehen, wann eine Maske wirklich dicht sitzt.
Allerdings: Wenn ich zur Zeit durch die Stadt gehe, fällt mir schon bei den Alltagsmasken nur eine Bemerkung ein: „Jeden Tag lerne ich neue Methoden, Masken so zu tragen, dass sie unwirksam sind.“ Ach ja: Und Vollbartträger können die FFP2-Maske gleich weglassen, die Luft geht sowieso durch den Bart und nicht durch die Maske.
Nachtrag (23.01.2021): Inzwischen hat die Fachhochschule Münster aufgrund eigener Untersuchungen eine Handlungsempfehlung zur Sterilisation von FFP2-Masken online gestellt. Kurz lautet diese: 80 Grad trockene Hitze – mit Bratenthermometer zur Überprüfung der Temperatur. Die wissenschaftliche Publikation zum Thema soll in einigen Monaten folgen.
Der Hersteller 3M befürchtet für seine Masken, dass Erhitzen über 75 Grad (Stand des Dokumentes September 2020) die Filtereigenschaften beeinträchtigen könnte. 70 Grad Hitze müssen FFP2-Masken allerdings gemäß Standard aushalten!