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02. Januar 2022 – Oliver Rheinbach

Die guten Nachrichten zur Corona-Variante Omikron

Zu Beginn des Jahres (und zum Beginn der Omikron-Welle in Deutschland) kommen gute Nachrichten zu Omikron aus GB.

Omikron-Infektionen in GB führen seltener zu stationärer Aufnahme ins Krankenhaus

Die Omikron-Infektionen in GB scheinen erkennbar milder zu verlaufen, also weniger ins Krankenhaus zu führen. Da GB inzwischen mehr als eine halbe Million Omikron-Fälle beobachten konnte, sind die Aussagen als valide einzuschätzen. Über die alle Corona-Fälle in GB zusammen gesehen (also geimpft und ungeimpft) sind die Omikron-Infektionen nur mit 33% der Hospitalisierungen verbunden im Vergleich zu Delta:

„The risk of hospital admission from emergency departments with
Omicron was approximately onethird of that for Delta (Hazard Ratio 0.33, 95% CI: 0.30 to 0.37). These analyses were stratified on date of specimen and area of residence and further adjusted for age, sex, ethnicity, local area deprivation, international travel, vaccination status. They are also adjusted for whether the current infection is a known reinfection, although as reinfections are substantially underascertained, the adjustment may not have fully accounted for the effect of reinfections.
In this analysis, the risk of hospitalisation is lower for Omicron cases after 2 and 3 doses of vaccine, with an 81% (77 to 85%) reduction in the risk of hospitalisation after 3 doses compared to unvaccinated Omicron cases.“

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 9, Table 4)

Wirksamkeit der Impfungen gegen schwere Omikron-Verläufe

Die milderen Verläufe bei Omikron-Infektionen könnten etwa daran begründet liegen, dass Omikron das tiefe Lungengewebe weniger befällt (worauf Labor-Studien hindeuten), aber ein wesentlicher Teil des beobachteten Effektes wird darin begründet liegen, dass Genesene und Geimpfte einen Teilschutz vor schweren Verläufen behalten, auch wenn der Schutz durch Antikörper schon erheblich abgebaut hat:

Zwar kann Omikron die Immunität von Genesenen und Zweifachgeimpften offenbar sehr gut durchbrechen – und auch die Booster-Dosis schützt nur wenige Monate wirksam vor einer Omikron-Infektion. Aber ein Schutz vor Hospitalisierung besteht offenbar deutlich länger (durch die T-Zell-Antwort), wie die Hospitalisierungsdaten aus GB zeigen.

Dargestellt hat die UKHSA den Hazard Ratio (im Vergleich zu Umgeimpften) für eine Krankenhauseinweisung (in GB) innerhalb von 14 Tagen nach einem positiven Coronatest, unterschieden nach der Omikron-Variante und der (vorher dominanten) Delta-Variante:

Impfstatus Omicron Delta
Ungeimpft oder weniger als 28 Tage seit Impfung 100% (Referenz) 100% (Referenz)
Eine Impfdosis (mehr als 28 Tage her) 102% 42%
Zwei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 35% 18%
Drei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 19% 15%

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 9, Table 4)

Omikron ist erfolgreicher als alle anderen Corona-Varianten zuvor

Die Omikron-Variante ist sehr erfolgreich und die schnelle Ausbreitung (siehe aktuell USA, GB, Frankreich, …) mit Verdopplungszeiten von 2 bis 3 Tagen ist beeindruckend. Die Infektionszahlen sind aktuell in diesen Ländern so hoch wie noch nie. Frankreich etwa hat aktuell mehr als 200000 Corona-Infektionen pro Tag.

Da Omikron doppelt Geimpfte (2x) und Genesene so erfolgreich infiziert, sind 2G-Veranstaltungen (ohne Maske) nicht mehr sicher – zumindest wenn man Infektionen vermeiden will.

Aber sind viele Infektionen den überhaupt ein Problem?

Man kann grob überschlagen: Wenn im Vergleich zu Delta 2/3 weniger Infizierte ins Krankenhaus kommen, kann Deutschland sich im Vergleich zu vergangenen Wellen etwa dreimal so viele Infektionen (gleichzeitig) leisten, ohne die Krankenhäuser zu überlasten. Das wären allerdings immernoch zu viel.

Daher bleibt das Tragen von (dichten!) FFP2-Masken umso wichtiger.

Und es bleibt ein großes Fragezeichen: Etwa 10 Prozent der Corona-Infizierten entwickeln Long Covid bzw. Post Covid. Das reicht von anhaltender Geschmacksveränderung bis zur Berufsunfähigkeit.

Die Große Frage ist: Schützen die Impfungen (bei einem Impfdurchbruch, der bei Omikron wahrscheinlicher geworden ist) auch vor Long Covid?

Generell scheinen Impfdurchbrüche bei Corona bzgl. der Langzeitfolgen (die auch bei milden Verläufen dokumentiert sind) nicht völlig harmlos zu sein:

„Receiving at least one COVID-19 vaccine dose was associated with a significantly lower risk of respiratory failure, ICU admission, intubation/ventilation, hypoxaemia, oxygen requirement, hypercoagulopathy/venous thromboembolism, seizures, psychotic disorder, and hair loss (each as composite endpoints with death to account for competing risks; HR 0.70-0.83, Bonferroni-corrected p<.05), but not other outcomes, including long-COVID features, renal disease, mood, anxiety, and sleep disorders. Receiving 2 vaccine doses was associated with lower risks for most outcomes.“

https://www.gov.uk/government/news/covid-19-variants-identified-in-the-uk

Nachtrag (5.1.2022):  Leicht anderes Bild in der Studie vom Imperial College

Die obigen Daten werden ergänzt von den Ergebnissen des Imperial College

Report 50: Hospitalisation risk for Omicron cases in England, Neil Ferguson, Azra Ghani, Wes Hinsley and Erik Volz on behalf of the Imperial College COVID19 response team
https://www.imperial.ac.uk/media/imperial-college/medicine/mrc-gida/2021-12-22-COVID19-Report-50.pdf

Auch dieser Report weist in Richtung milderer Verläufe durch Omikron.

Der Report nennt in Tabelle 3 („Corrected“) für Ungeimpfte eine Reduktion der Gefahr der Hospitialisierung durch Omikron um 24% im Vergleich zu Delta (Hazard Ratio relative to primary Delta infection in unvaccinated: 0,76).

Die Wirksamkeiten der Impfstoffe in Tabelle 3 zeigen ein etwas uneinheitliches Bild, was durch relativ kleine Zahlen in den Zeilen erklärbar ist. Wenn man nur die Zeilen anschaut, die mehr als 10000 Fälle enthalten, dann erhält man für

  • zwei Dosen AstraZeneca einen Hazard Ratio im Vergleich zu Delta von 0,37
  • und für 2 Dosen mRNA-Impfstoff einen Hazard Ratio im Vergleich zu Delta von 0,26

für Krankenhausaufenthalt nach Omikron-Infektion im Vergleich zu Delta. Beides mindestens 14 Tage nach der zweiten Dosis. Aus anderen Zeilen ergibt sich zum Teil ein etwas schlechteres Bild bezüglich des Impfstoffschutzes vor Krankenhausaufnahme.

Achtung: In der Tabelle oben war der Hazard Ratio im Vergleich zu Ungeimpften aufgeführt, hier ist es der Hazard Ratio im Vergleich zu einer Delta-Infektion.

17. Dezember 2021 – Oliver Rheinbach

Wir sollten uns vor den Weihnachtsfeierlichkeiten auf Corona testen lassen, aber…

… man muss bedenken, dass sogar PCR-Tests am Tag vor Symptombeginn eine Falsch-Negativ-Rate von mehr als 50 Prozent haben.

„Over the 4 days of infection before the typical time of symptom onset (day 5), the probability of a false-negative result in an infected person decreases from 100% (95% CI, 100% to 100%) on day 1 to 67% (CI, 27% to 94%) on day 4. On the day of symptom onset, the median false-negative rate was 38% (CI, 18% to 65%). This decreased to 20% (CI, 12% to 30%) on day 8 (3 days after symptom onset) then began to increase again, from 21% (CI, 13% to 31%) on day 9 to 66% (CI, 54% to 77%) on day 21.“ https://doi.org/10.7326/M20-1495

Corona-Infizierte können aber bereits 4 Tage vor Symptombeginn infektiös sein:

„[…] we need to look back at least 4 days to catch 90% of presymptomatic infections.“ https://doi.org/10.4414/smw.2020.20336

Einschub (20.12.2021): Testen bringt alleine also keine Sicherheit. Testen ist natürlich dennoch sinnvoll, denn immerhin erkennt man damit einen Teil der Infektionen. Eine Kombination mit rechtzeitiger Kontaktreduktion vor den Feiertagen ist daher sinnvoll.

In vielen Fällen sind Schnelltests (erfahrungsgemäß) erst nach Symptombeginn, oft sogar erst am zweiten Tag nach Symptombeginn positiv.

Die Referenz für die Bewertung von Schnelltests ist immer die PCR, d.h. die Tests können nicht besser als die PCR sein. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verlangt von Schnelltests 80 Prozent Sensitivität im Vergleich zur PCR:

Kriterium Antigenschnelltest: >80% von unselektierten PCR-positiven Proben positiv im SARS-CoV-2 AntigenschnelltestPaul-Ehrlich-Institut: „Mindestkriterien für SARS-CoV-2 Antigentests im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO: Antigenschnelltests“

Die Sensitivität ist die Trefferquote (Richtig-Positiv-Rate, True Positive Rate, TPR) im Vergleich zur PCR.

Hier die Liste des BfArM von Selbsttests, die durch das PEI bewertet wurden.

Ein Test ist aber (sofern keine Testknappheit herrscht) dennoch vor den Weihnachtsfeiern dennoch sinnvoll. Denn im Einzelfall, d.h. bei Personen mit hoher Viruslast (und entsprechend hoher Infektiösität) kann laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) der Schnelltest anschlagen:

„Dies ist in der präsymptomatischen (1-3 Tage vor
Symptombeginn) und frühen symptomatischen Phase der Erkrankung innerhalb der ersten 5-7 Tage, vor Beginn der Antikörperbildung, der Fall.“
Paul-Ehrlich-Institut: „Mindestkriterien für SARS-CoV-2 Antigentests im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO: Antigenschnelltests“

Bezüglich der Spezität (Richtig-Negativ-Rate, True Negative Rate, TNR) verlangt das PEI 97%:

Methodik: Untersuchung von mindestens 100 asymptomatischen Personen ohne konkretes Expositionsrisiko im SARS-CoV-2 Antigenschnelltest; Abklärung etwaiger reaktiver Proben mittels PCR.
Kriterium Antigenschnelltest: Spezifität >97%

Paul-Ehrlich-Institut: „
Mindestkriterien für SARS-CoV-2 Antigentests im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO: Antigenschnelltests“

Das schnelle Wachstum der Omikron-Variante (die Omiron-Welle wird in Deutschland Laufe des Januars klar erkennbar werden) macht Tests wieder wichtiger, da sie Geimpfte und Genesene infizieren kann. Durch zwei Impfdosen ist wahrscheinlich praktisch kein Infektionsschutz mehr gegeben (<30%) und auch mit einer frischen (!) Boosterdosis ist der Schutz vor Infektion wahrscheinlich eher bei 70% als bei 90%.

08. Dezember 2021 – Oliver Rheinbach

Gegen die Omikron-Variante (B.1.1.529) wird man wohl die dritte Impfdosis brauchen…

Die Immunflucht gegen die Omikron-Coronavariante wurde nun erstmals öffentlich quantifiziert: Die neutralisierenden Antikörpertiter gegen Omikron sind (in einer groben ersten Abschätzung von Alex Sigal am Africa Health Research Institute anhand von 12 Personen mit Biontech-Impfung) um den Faktor 41 erniedrigt. Siehe etwa die aktuelle Meldung von NTV.

Gegen Delta waren die neutralisierenden Titer (nur) um etwa den Faktor 6 im Vergleich zum Wildtyp erniedrigt (in Wall et al. in Lancet wurde z.B. der Wert 5,8 für Biontech gefunden).

Was bedeutet das?

Der Zusammenhang zwischen den neutralisierenden Antikörpertitern und der Wirksamkeit ist (zumindest zwischen 30 und 90 Prozent Wirksamkeit) grob logarithmisch (Khoury et al.: Fig. 1). Darüber nimmt der Nutzen von mehr Antikörpern ab.

Ein Faktor 10 in den Titern macht dabei den Unterschied zwischen etwa 60% Wirksamkeit und 95% Wirksamkeit (Khoury et al.: Fig. 2).

Etwas mehr als ein Faktor 10 in den Titern liegt zum Beispiel zwischen den chinesischen CoronaVac-Impfstoff (Wirksamkeit etwa 50 Prozent) und Biontech (Wirksamkeit 95% gegen symptomatischen Infektion – gilt gegen den Wildtyp, für einen frisch geimpften „jungen“ Menschen), siehe Fig. 1 in Khoury et al.

Man könnte also verkürzt sagen: Faktor 10 Reduktion (etwa 2 hoch 3,3) macht aus einer Biontech-Impfung eine CoronaVac-Impfung.

Man kann versuchen aus den Abbildungen Fig. 1 und Fig. 2 aus Khoury et al. grob abzuschätzen, bei welcher Wirksamkeit man für Biontech gegen Omikron (Faktor 41 ist ungefähr 2 hoch 5,4) landen wird: Aus einer frischen Biontech-Impfung mit 95 Prozent Wirksamkeit wird Omikron demnach weniger als 30% Wirksamkeit machen. Ist die Wirksamkeit der Biontech-Impfung nach wenigen Monaten auf 80% abgesunken (was etwa den Schutz von Genesenen entspricht), kommt man bei einen Schutz gegen Omikron von deutlich unterhalb von 30% aus (unterhalb von 30% beanspruchen die Autoren keine Gültigkeit des Modells mehr). Auch für Moderna sieht die Sache nicht viel besser als. Für andere Impfstoffe sieht die Sache noch schlechter aus.

Das heißt vorsichtig formuliert: Für Genesene und (nicht ganz frisch) Zweifach-Geimpfte kann man mit dem Model aus Khoury et al. grob abschätzen, dass gegen Omikron nur ein Schutzlevel (gegen symptomatische Infektion) von weniger als 30% erreicht werden könnte.

Die Daten aus dem Artikel sind nur auf Anfrage erhältlich, daher kann man die Abschätzung nur grob machen, aber vielleicht frage ich die Daten mal an.

Das bedeutet, dass ein Schutz vor Infektion wohl nur durch die dritte Dosis (=die Booster-Impfung) erreicht werden kann. Sie erhöht die Antikörperlevel erheblich und (zumindest für den Biontech-Booster und den Moderna-Booster) deutlich über die Level nach der zweiten Dosis hinaus.

Wir sind wohl in einer ähnlichen Lage wie Großbritannien zu Beginn seiner Impfkampagne. Es hatte zu Beginn die Erstimpfungen priorisiert und die Zweitimpfungen aufgeschoben, weil eine Dosis schon eine gute Wirksamkeit zeigte. Wegen Delta musste diese Strategie dann schnell geändert werden und die zweiten Impfdosen wurden vorgezogen.

Jetzt sieht es so aus, dass erst eine dritte Dosis (mit noch höheren Antikörpertitern) akzeptablen Schutz vor der Omikron-Variante geben wird. Da man das Spiel nicht ewig so weiter machen kann, wird man ab Sommer 2022 wohl im großen Stil Variantenimpfstoffe verimpfen (müssen).

Quellen:

Hier die Quelle zum Modell, das den Zusammenhang von neutralisierenden Antikörpertitern gegen SARS-Cov-2 und der Wirksamkeit herstellt:

Khoury, D.S., Cromer, D., Reynaldi, A. et al. Neutralizing antibody levels are highly predictive of immune protection from symptomatic SARS-CoV-2 infection. Nat Med 27, 1205–1211 (2021). https://doi.org/10.1038/s41591-021-01377-8

Das Modell im Artikel hat auch einigermaßen akkurat den Wirksamkeitsrückgang der Impfstoffe über die Zeit vorhergesagt.

Der Cohn et al. in Science zeigt deutlich die Abnahme der Wirksamkeit von Janssen, Biontech und Moderna über die Zeit. Die Abnahme ist allerdings auch durch das Aufkommen von Delta mitverursacht.

SARS-CoV-2 vaccine protection and deaths among US veterans during 2021
Barbara A. Cohn, Piera M. Cirillo, Caitlin C. Murphy, Nickilou Y. Krigbaum, and Arthur W. Wallace, Science • 4 Nov 2021 •DOI: https://dx.doi.org/10.1126/science.abm0620
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Nachträge (09.12.2021):
a) Hier der entscheidende Ausschnitt aus dem Preprint auf den sich Sigal bezogen hat:
Cele et al., „SARS-CoV-2 Omicron has extensive but incomplete escape of Pfizer BNT162b2 elicited neutralization and requires ACE2 for infection“:
Geometric mean titer (GMT) FRNT50 (inverse of the plasma dilution required for 50% reduction in infection foci number) was 1321 for D614G. These samples therefore had very strong neutralization of D614G virus, consistent with sampling soon after vaccination. GMT FRNT50 for the same samples was 32 for Omicron, a 41-fold decline (Fig 1B). However, the escape was incomplete, with 5 of the participants, all previously infected, showing relatively high neutralization titers with Omicron.Link
b) Heute hat Sandra Ciesek dazu passende Ergebnisse als Preprint veröffentlicht:
Wilhelm et al. „Reduced Neutralization of SARS-CoV-2 Omicron Variant by Vaccine Sera and monoclonal antibodies“ Link
Our in vitro findings using authentic SARS-CoV-2 variants indicate that in contrast to the currently circulating Delta variant, the neutralization efficacy of vaccine-elicited sera against Omicron was severely reduced highlighting T-cell mediated immunity as essential barrier to prevent severe COVID-19.
Die erst kürzlich auf den Markt gekommenen Antikörper-Medikamente sind gegen Omikron wirkungslos:
Since SARS-CoV-2 Omicron was resistant to casirivimab and imdevimab, genotyping of SARS-CoV-2 may be needed before initiating mAb treatment.
Die Gruppe um Ciesek untersucht auch die Wirksamkeit verschiedener Impfschemata. Das Omikron-Virus für die Untersuchungen stammt offenbar von einem Impfdurchbruch eines Moderna-Geimpften (die Messungen verwenden also das echte Omikron, kein Pseudovirus).
Das Team um Ciesek findet gegen Omikron Reduktionen der Neutralisation um den Faktor 10 bis 38.
Das hört sich besser an als die Ergebnisse von Sigal. Aber die schlechte Nachricht dabei ist, dass die niedrigeren Faktoren (10fach, 11,4fach und 20fach) da gemessen wurden, wo sowieso schon nicht mehr so viele Antikörper vorhanden waren, nämlich 6 Monate nach 2x Biontech, 2x Moderna und 1x AstraZeneca + 1x Biontech. In allen diesen Fällen waren nämlich überhaupt eine messbaren Antikörper gegen Omikron vorhanden.
Für die betrachteten Impfschemata mit drei Dosen (d.h. mit Booster) sind die Reduktionsfaktoren 37fach, 24,5fach, 22,7fach und 27,1fach.
Die noch schlechtere Nachricht dabei ist aber, dass durchaus viele Dreifach-Geimpfte überhaupt keine messbaren Titer gegen Omikron gezeigt haben (siehe Abbildung 1 des Preprints).
Genauer:
3x Biontech (frisch): 42 Prozent der Geimpften haben keine messbaren Titer gegen Omikron
3x Biontech (3 Monate her): 75 Prozent keine Titer gegen Omikron
Infektion+2x Biontech: 75 Prozent keine Titer gegen Omikron
2x Moderna+1x Biontech (frisch): 22 Prozent keine Titer gegen Omikron
1x Astra + 2x Biontech (frisch): 62 Prozent keine Titer gegen Omikron.
Das beste Impfschema ist hier noch 2x Moderna + 1x Biontech.
Es bleibt die Hoffnung, dass die T-Zell-Antwort dennoch vor schweren Verläufen schützen könnte. Ob das so ist wird man nun in wenigen Wochen in Deutschland beobachten können.
Hier der relevante Ausschnitt aus dem kurzen Preprint:
To evaluate the protective capacity, antibody-mediated neutralization efficacy against authentic SARS-CoV-2 Omicron was determined in vitro using an isolate obtained from a double 1273-mRNA-vaccinated travel returnee from Zimbabwe and compared to Delta. Neutralization performed with sera from double (no-booster) or triple BNT162b2-vaccinated (sampled 0.5 or 6 months after boosting) revealed an 11.4-, 37.0- and 24.5-fold reduction, respectively (Figure 1A). Sera from double mRNA1273-vaccinated (no-booster) and additionally BNT162b2-booster (sampled 0.5 or 6 months after booster vaccination) showed a 20- and 22.7-fold reduction in the neutralization capacity (Figure 1B). Poor neutralization against Delta and no efficacy against Omicron were observed using sera from heterologous ChAdOx1 and BNT162b2 vaccinated individuals (Figure 1C). Additionally, the BNT162b2-booster group showed a significant increase of NAb titers but a 27.1-fold reduction in neutralization against Omicron. (Figure 1C). Convalescent sera poorly neutralize VoCs, however in combination with vaccination provides  superior protection. Neutralization of Omicron was 32.8-fold reduced using sera from double BNT162b2-vaccinated and infected individuals (Figure 1A).Link

 

Nachtrag (11.12.2021): Auch Biontech geht inzwischen (nach eigenen Laborversuchen) davon aus, dass durch zwei Impfdosen kein Schutz vor Omikron besteht. Die dritte Biontech-Dosis soll nun die Antikörperkonzentration (zumindest kurz nach der dritten Impfung) so hoch anheben, dass ein gewisser Schutz vor Omikron gegeben sein kann. Allerdings sind Omikron-Impfdurchbrüche auch nach Boostern bereits bekannt (und das passt ins Bild).
Letztlich bleibt aber zu hoffen, dass die Impfung dennoch einen Schutz vor schweren Verläufen bietet (könnte sein) und auch vor Long Covid. Allerdings gibt es Studien, die Long Covid bei Impfdurchbrüchen ähnlich häufig beobachten, wie bei Infektionen ohne Impfung. Ohne Omikron wären die Impfdurchbrüche (zumindest nach frischer Impfung) selten geblieben, das könnte sich mit Omikron ändern.

Nachtrag (11.12.2021): Die Ausbreitung von Omikron in Großbritannien und Dänemark sind besorgniserregend, die Verdopplungszeiten sind mit 2 bis 3 Tagen extrem kurz. Auch in Südafrika breitet sich Omikron schneller aus als alle anderen Varianten zuvor.

Nachtrag (12.12.2021): Bei einer bundesweiten 7-Tage-Inzidenz von 429 (wieder sinkend), nicht wenigen Hotspots in Sachsen und Thüringen zwischen 1000 und 2000 lohnt ein erster kurzer Rückblick auf die aktuelle Delta-Welle (die aber auch wieder ansteigen kann). Von vielen Politikern hieß es in den letzten Wochen, die Delta-Welle sei eine große Überraschung.

Dazu ein Zitat auf diesem Blog vom 27.7.2021 als Antwort auf einen Kommentar u.a. zu Infektionen in Schulklassen:

Ein R-Wert von 25 kommt mir etwas hoch vor (das waere die gesamte Klasse), aber inzwischen herrscht ja Konsens, dass Inzidenzen von 400 oder 800 im Herbst realistisch sind, aufgrund der hohen Infektiösität der Deltavariante – und weil auch Geimpfte Deltainfektionen weitergeben können.

Aktuell (im Sommer), könnte man die Infektionszahlen stabil niedrig halten, wenn alle Menschen etwas vorsichtiger bleiben würden, das würde die Lage im Herbst verbessern. Dazu wäre kein Lockdown nötig. Stattdessen sehe ich nur Menschen (gut, die Vorsichtigen sind weniger sichtbar), die sich verhalten, als gäbe es die Deltavariante nicht.

Mit dem klaren Szenario einer Delta-Welle im Herbst ist z.B. irritierend:
a) Die Abschaffung der Maskenpflicht in Geschäften in einige Bundesländern – mir ist die Maske lieber als alles andere (Ausgangssperre, Kontaktsperre, …)
b) Dass tatsächlich keine Maske mehr getragen wird.

Nachtrag (2.1.2022): Inzwischen berichtet die UK Health Security Agency von Ihren Daten zur Omikron-Welle in Großbritannien. Es zeigt sich, dass die Vermutungen aus dem oben diskutierten Modell sich bestätigen. Zwei Dosen der aktuellen Impfstoffe (AstraZeneca, Biontech/Pfizer und auch Moderna) sind gegen eine symptomatische Infektion durch Omikron 20 Wochen nach der Impfung praktisch wirkunglos geworden, genauer gesagt sieht man in GB eine Impfstoffwirksamkeit von nur noch etwa 10%. („down to around 10% by 20 weeks after the second dose.„. Diese Aussagen sind ziemlich belastbar, da GB in der Omikron-Welle inzwischen auf mehr als eine halbe Million Omikron-Infektionen hatte.

Hier das vollständige Zitat aus dem Abschnitt „Vaccine effectiveness“ aus Seite 10:

„Among those who had received 2 doses of AstraZeneca, there was no effect against Omicron from 20 weeks after the second dose. Among those who had received 2 doses of Pfizer or Moderna effectiveness dropped from around 65 to 70% down to around 10% by 20 weeks after the second dose.“

Quelle: UK Health Security Agency: „SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England – Technical briefing: Update on hospitalisation and vaccine effectiveness for Omicron VOC-21NOV-01 (B.1.1.529)
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf

Die dritte Dosis (Booster-Dosis) erhöht die Wirksamkeit gegen symptomatische Infektion wueder auf 65% bis 75%, aber die Wirksamkeit geht schnell zurück. Sie fällt schon nach 10 Wochen auf 40% bis 50%:

„2 to 4 weeks after a booster dose vaccine effectiveness ranged from around 65 to 75%, dropping to 55 to 70% at 5 to 9 weeks and 40 to 50% from 10+ weeks after the booster.“

Quelle: UK Health Security Agency: „SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England – Technical briefing: Update on hospitalisation and vaccine effectiveness for Omicron VOC-21NOV-01 (B.1.1.529)
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf

Das bedeutet, dass man die Omikron-Welle durch Booster-Impfungen alleine (selbst, wenn sie schnell genug wären) nicht gut in den Griff bekommen kann. Es gibt aber auch gute Nachrichten zu Omikron. So sind die Verläufe, die ins Krankenhaus führen, in GB offenbar deutlich seltener als noch zuvor bei Delta.

Nachtrag (2.1.2022): Die guten Nachrichten zu Omikron aus GB sind

„Protection against hospitalisation from vaccines is good against the Omicron variant. One dose of any vaccine was associated with a 35% reduced risk of hospitalisation among symptomatic cases with the Omicron variant, 2 doses with a 67% reduction up to 24 weeks after the second dose and a 51% reduced risk 25 or more weeks after the second dose. A third dose was associated with a 68% (95% confidence interval 52 to 82%) reduced risk of hospitalisation when compared to similar unvaccinated individuals. When the reduced risk of hospitalisation was combined with vaccine effectiveness against symptomatic disease, the vaccine effectiveness against hospitalisation was estimated as 52% after one dose, 72% 2 to 24 weeks after dose 2, 52% 25+ weeks after dose 2 and 88% 2 weeks after a booster dose.“

https://www.gov.uk/government/news/covid-19-variants-identified-in-the-uk

und

„An update on the analysis published last week finds the risk of presentation to emergency care or hospital admission with Omicron was approximately half of that for Delta (Hazard Ratio 0.53, 95% CI: 0.50 to 0.57). The risk of hospital admission from emergency departments with Omicron was approximately onethird of that for Delta (Hazard Ratio 0.33, 95% CI: 0.30 to 0.37). These analyses were stratified on date of specimen and area of residence and further adjusted for age, sex, ethnicity, local area deprivation, international travel, vaccination status.“

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 4,
Study 1:Risk of hospitalisation)

Bei den Hospitalisierungen zeigt sich, dass auch 2 Impfdosen noch einen Schutz bieten (Table 4 auf Seite 9; hier ohne die Konfidenzintervalle)

Impfstatus Omicron Delta
Ungeimpft oder weniger als 28 Tage seit Impfung 100% (Referenz) 100% (Referenz)
Eine Impfdosis (mehr als 28 Tage her) 102% 42%
Zwei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 35% 18%
Drei Impfdosen (mehr als 14 Tage her) 19% 15%

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1044481/Technical-Briefing-31-Dec-2021-Omicron_severity_update.pdf
(Seite 9, Table 4)

Nachtrag (nur für die Akten): Die oben gemachten Vorhersagen basierend auf dem Model aus Khoury et al. und der Quantifizierung der Immunflucht von Alex Sigal haben sich inzwischen ziemlich genau in der wahren Welt bestätigt, siehe die Zahlen des UKHSA (press release 27. Jan. 2022):

„An initial analysis of vaccine effectiveness against the Omicron variant sub-lineage known as BA.2 (designated VUI-22JAN-01 on 19 January), reveals a similar level of protection for symptomatic infection compared to Omicron (BA.1). After 2 doses, effectiveness was 9% and 13% respectively for BA.1 and BA.2, after 25+ weeks. This increased to 63% for BA.1 and 70% for BA.2 from 2 weeks following a booster vaccine.“ UKHSA (press release 27. Jan. 2022)

D.h. Schutz gegen symptomatische Infektion liegt bei zwei Impfdosen bei 9% für Omikron BA.1 und 13% für Omikron BA.2 (nach 25 und mehr Wochen). Schutz gegen Infektion ist also praktisch nicht vorhanden. Unmittelbar nach der dritten Dosis (Booster) steigt der Schutz auf 63% (BA.1) bzw. 70% (BA.2). Der Schutz erreicht also nicht mehr die Höhe, wie gegen den Wildtyp, gegen den die Impfstoffe entwickelt wurden.

Die gute Nachricht ist, dass der Schutz gegen Krankenhauseinweisung auch 9 Wochen nach dem Booster gut bleibt:

„After a Moderna booster (mRNA-1273) (after either primary vaccination course), vaccine effectiveness against hospitalisation was 90% to 95% up to 9 weeks after vaccination. Longer follow-up data is not yet available and these figures may change with time.“ UKHSA (press release 27. Jan. 2022)

06. Dezember 2021 – Oliver Rheinbach

Was wir über Omicron (B.1.1.529) wissen…

Aktuell wissen wir über die Corona-Variante Omicron (B.1.1.529) noch nicht viel Gesichertes.

Es wird berichtet, dass die Variante in Südafrika sehr erfolgreich ist und dort aus einem R nahe 1 ein R nahe 2 macht. Die Mutationen weisen auf eine Immunflucht hin.

Südafrika hat allerdings eine eine (im Vergleich zu Deutschland) sehr junge Bevölkerung. Die Geburtenrate von 1,7% rechnet sich um in eine Verdopplung der Bevölkerung alle etwa 40 Jahre. Die junge Bevölkerung lässt eine hohe Dunkelziffer (und daher hohe Genesenenrate) erwarten. Die offizielle Genesenenrate ist allerdings ähnlich hoch wie in Deutschland (etwa 6 Prozent). Südafrika hat eine (im Vergleich zu Deutschland – mit aktuell 68,9 Prozent) niedrige Impfquote (35 Prozent).

In dieser Umgebung kann der Ansteckungserfolg der Omicron-Variante in Südafrika daran liegen, dass sie noch ansteckender als Delta ist (für Delta findet man geschätzte R0-Werte zwischen 5 und 6 in der Literatur). Der Erfolg kann aber auch daran liegen, dass die Omicron-Variante Genesene und/oder Geimpfte erfolgreicher infiziert als Delta.

Um mehr zu wissen, ist es extrem wichtig, die aktuellen Omicron-Infektionscluster in Europa genau zu untersuchen.

Der R0-Wert könnte für Omicron sogar unterhalb des R0-Wertes von Delta liegen, wenn Omicron sehr erfolgreich Genesene und/oder Geimpfte infiziert. Tatsächlich verliert der R0-Wert, der sich auf eine vollständig empfängliche („naive“) Bevölkerung bezieht, an Bedeutung, weil inzwischen überall auf der Welt eine (Teil-)Immunität existiert.

Sobald in wissenschaftlichen Artikeln publizierte Schätzungen zum R0-Wert von Omicron (und zur Immunflucht) vorliegen, werde ich sie hier ergänzen.

Aktuell werden Zahlen zwischen R0=3 und R0=10 gehandelt. Der niedrige Wert R0=3 bezieht sich auf den Fall, dass Omicron Geimpfte und Genesene sehr erfolgreich infiziert (ohne dass das schwere Verläufe bedeuten muss). Der hohe Wert kommt für den Fall heraus, dass der Erfolg von Omicron fast ausschließlich auf hoher Infektiösität beruht. In diesem Fall wäre Omicron nahe am R0-Wert von Windpocken (R0=10 bis 12).

Nachtrag (8.12.21): Inzwischen weisen erste Versuche auf eine starke Immunflucht durch Omikron.

 

27. Juli 2021 – Oliver Rheinbach

Corona-Infektion oder Corona-Impfung? Wie groß ist das Risiko in Zahlen (soweit wir das wissen).

Der Beginn der Corona-Pandemie ist mehr als ein Jahr her.

Was wissen wir inzwischen über die Risiken einer Corona-Infektion?

Es gibt natürlich inzwischen viele Daten (Achtung allerdings: Die Deltavariante B.1.617.2 könnte etwas gefährlicher sein – Nachtrag 28.8.2021: Delta scheint nach britischen Daten die Gefahr von schweren Verläufen mit Krankenhausaufenthalt gegenüber der Alpha-Variante etwa zu verdoppeln – und auch für Geimpfte ist Delta gefährlicher:

The HRs for vaccinated patients with the delta variant versus the alpha variant (adjusted HR for hospital admission 1·94 [95% CI 0·47–8·05] and for hospital admission or emergency care attendance 1·58 [0·69–3·61]) were similar to the HRs for unvaccinated patients (2·32 [1·29–4·16] and 1·43 [1·04–1·97]; p=0·82 for both) but the precision for the vaccinated subgroup was low.
Lancet Infect Dis 2021. https://doi.org/10.1016/ S1473-3099(21)00474-6

HR=Hazard Ratio).

 

Risiken der Corona-Infektion

Das Risiko an Covid-19 zu sterben – eine Altersfrage

Die Übersichtsarbeit

Levin, A.T., Hanage, W.P., Owusu-Boaitey, N. et al. Assessing the age specificity of infection fatality rates for COVID-19: systematic review, meta-analysis, and public policy implications. Eur J Epidemiol 35, 1123–1138 (2020). https://doi.org/10.1007/s10654-020-00698-1

hat die Daten von 27 anderen Arbeiten ausgewertet hat.

Darin wird für die Infection Fatality Rate (IFR, Anzahl Tote pro Anzahl Infektionen) nach Lebensalter per Regression sogar eine einfache Formel bestimmt:

log10(IFR) = -3,27 + 0,0524 * Alter

mit relativ engen Standardfehlern für die Konstanten (0,07 und 0,0013).

Also folgt das Risiko, an Covid-19 zu versterben einer Exponentialfunktion in Abhängigkeit vom Lebensalter:

 IFR=10(-3,27 + 0,0524 * Alter)

Sie schreiben entsprechend:

„The estimated age-specific IFR is very low for children and younger adults (e.g., 0.002% at age 10 and 0.01% at age 25) but increases progressively to 0.4% at age 55, 1.4% at age 65, 4.6% at age 75, and 15% at age 85.“ https://doi.org/10.1007/s10654-020-00698-1

Allerdings gibt es für ganz kleine Kinder wenig Daten, so dass es zu Abweichungen von der Formel kommen kann;

Da wir uns an Infektions-Inzidenzen gewöhnt haben, die in Fällen pro 100000 Menschen angegeben werden, hier die Auswertung der Formel in Toten pro 100000 Infektionen (gerundet auf die zwei größten Ziffern)

Alter 5 10 15 20 25 30 35 40 45
IFR 1 1,8 3,3 6 11 20 37 67 120
Alter 50 55 60 65 70 75 80 85 90
IFR 220 410 750 1400 2500 4600 8400 15000 28000

Die Zahlen mögen niedrig erscheinen, allerdings war das Risiko für Astronauten bei einem  Spaceshuttle-Flug umzukommen etwa 1:100, entspricht also 1000 in der obigen Tabelle (1000 Tote pro 100000 Astronauten).

Das Risiko durch Covid-19 im Krankenhaus zu landen – auch für jüngere Menschen ein reales Risiko

Allerdings ist das nackte Überleben nicht alles. Es gibt die bekannten Langzeitfolgen Corona-Infektion. Auch wenn um die genaue Definition von Long-Covid immernoch gerungen wird, so gehören anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Leistungsverlust definitiv dazu. Offenbar berichten gerade fitte Sportler von körperlichen Leistungsverlusten, wahrscheinlich, weil Sie ihre eigenen Leistungsparametern aufmerksamer beobachten.

Über die Vielfalt (und den aktuellen Stand der Therapie) von Long-Covid aus klinischer Sicht kann man sich etwa hier informieren: „S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID„.

Auch bei symptomlosen Kindern wurden Marker für Mikrothrombosen (TMA – Complement-mediated thrombotic microangiopathy) gefunden (Orginalartikel in Blood Adv (2020) 4 (23): 6051–6063; hier die Kurzbesprechung auf Scinexx).
Diese Mikrothrombosen könnten Langzeitfolgen haben, die lange unerkannt bleiben könnten, darunter Bluthochdruck und Nierenleiden („hypertension, pulmonary hypertension, stroke, and chronic kidney disease“); zumindest scheint das für TMA mit einer anderen Ursache (HSCT-TMA) bekannt zu sein.

Klar ist, dass nach einem Covid-19-bedingten Krankenhausaufenthalt das Risiko für Langzeitfolgen signifikant ist.

Will man das Risiko für einen Covid-19-verursachten Krankenhausaufenthalt abschätzen, kann man sich diese Arbeit ansehen:

Palmer Sam, Cunniffe Nik and Donnelly Ruairí 2021 COVID-19 hospitalization rates rise exponentially with age, inversely proportional to thymic T-cell production J. R. Soc. Interface. 182020098. 220200982. http://doi.org/10.1098/rsif.2020.0982

Auch junge Menschen kommen wegen Covid-19 ins Krankenhaus, überleben aber mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit als Ältere.

Die Autoren finden ebenfalls eine exponentielle Beziehung zwischen Alter und Hospitalisierung. Dabei verdoppelt sich die Hopitalisierungsrate alle 16 Lebensjahre, was etwa einem Anstieg um etwa 4,5 Prozent pro Jahr entspricht (71/4,5 ist fast 16). Sie stellen auch die Vermutung an, dass die Ursache die T-Zell-Produktion ist, die mit dem Alter abnimmt. Für Menschen unter 20 liegt die Hospitalisierungsrate noch niedriger als das Modell vorhersagt.

Eine grobe Schätzung ist, dass die altersabhängige Hospitalisierungsrate  (probability of severe disease given infection) proportional zu

e0,044*Alter

ist, was

10(0.019*Alter)

entspricht. Der Vergleich mit der IFR zeigt, dass das Hospitalisierungsrate weniger schnell mit dem Alter steigt. Tatsächlich verdoppelt sich das Risiko (IFR) an Covid-19 zu versterben etwa alle 6 Lebensjahre; das Risiko, mit Covid-19 ins Krankenhaus zu kommen verdoppelt sich dagegen nur alle 16 Jahre.

Aus der Abbildung S4 des Zusatzmaterials lässt sich ablesen, dass die Krankenhauseinweisung für die Altergruppe 80-89 Lebensjahre fast sicher ist (nahe 1).

  • Für die Gruppe der 80-89jährigen liegt die Hospitalisierungsrate nahe 100 Prozent.
  • Für die Gruppe der 40-49jährigen liegt die Hospitalisierungsrate oberhalb von 10 Prozent.
  • Für die 20-29jährigen liegt sie nahe 5 Prozent (was überraschend viel ist).
  • Für die Gruppe U20 liegt das Risiko noch einmal deutlich unterhalb des vermuteten Exponentialgesetzes; ihr Risiko liegt bei 1 Prozent (auch nicht wenig, wenn man bedenkt, dass ein Szenario für die vierte Welle im Spätsommer/Herbst 2021 die Durchseuchung der Kinder und Jugendlichen ist.).
  • Es ist wichtig in aktuellen Lange, in der die Durchseuchung der (ungeimpften) Kinder durch Delta im Spätsommer und Herbst 2021 bevorsteht, noch einmal zu betonen: Für die Kinder liegt das Risiko eines Krankenhausaufenthaltes durch Covid-19 in der Nähe von 1 Prozent. In einer Schule mit 1000 Schülern landen bei Durchseuchung also 10 im Krankenhaus. Würde das durch einen Verkehrsunfall passieren, wäre es sicher eine große Sache in den Medien.

Lebensgefährlich ist bei Kindern und Jugendlichen allerdings eher nicht die Corona-Infektion selbst, sondern (auch in symptomlosen Fällen) das zum Glück recht seltene, erst Wochen später auftretende PIMS-Syndrom; davon wurden in Deutschland bisher einige hundert Fälle gemeldet (vom 27.5.2020 bis 25.07.2021 wurden 395 Kinder und Jugendliche gemeldet). PIMS trifft Babys, Kleinkinder, Jugendliche und sogar die Gruppe der 16-21jährigen. Nur die Hälfte der Betroffenen wird als vollkommen wiederhergestellt entlassen.

Je nachdem, welche Durchseuchungsrate man bei den 0-21jährigen (ca. 15 Mio in Deutschland) aktuell annimmt (bei aktuell 4 Mio offiziellen Coronafällen insgesamt in Deutschland und einer Bevölkerung von 80 Mio) kann man grob auf 100 PIMS-Fälle pro 100000 Infektionen bei Kindern und Jugendlichen kommen; also auf ein Risiko von 1:1000; das ist nicht wenig, wenn man die Langzeitkonsequenzen bedenkt.

Das Risiko von Langzeitfolgen für das Gehirn

Eine neue Studie quantifiziert nun auch erstmals die anekdotisch schon länger bekannten Gehirnleistungsverluste nach Covid-19-Erkrankung:

A. Hampshire et al., Cognitive deficits in people who have recovered from COVID-19, EClinicalMedicine (2021), https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2021.101044

Für Covid-19-Genesene, die beatmet wurden, wurde ein IQ-Verlust von 7 Punkten gemessen (0,47 SD=0,47 Standardabweichungen), was den Autoren zufolge einer Gehirnalterung von 10 Jahren entspricht. Dazu muss man sagen, dass 7 IQ-Punkte Welten sind. Per Definition ist der IQ-Mittelwert 100 und die Standardabweichung 15. Daher liegen 68 Prozent der IQs zwischen 85 und 115.

Für junge Menschen (mit noch langer Karriere vor sich) bedenklich ist, dass auch für Verläufe mit leichten Symptomen ein IQ-Verlust beobachtet wurde. Da der Artikel unter einer Creative Commons-Lizenz steht, kann ich die entscheidende Abbildung hier einfügen (der obere Teil (A) ist der relevante Teil):

Image under CC BY-NC-ND license; http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/; Figure 2 from A. Hampshire et al., Cognitive deficits in people who have recovered from COVID-19, EClinicalMedicine (2021), https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2021.101044

Risiken der Impfung

Die ersten Anhaltspunkte, um die Risiken der Corona-Impfungen in Deutschland abzuschätzen, können die Sicherheitsberichte des PEI geben, wobei mit einer Dunkelziffer gerechnet werden muss (underreporting).
Die Einschränkung der Empfehlung für den Vexzevria-Impfstoffes von AstraZeneca auf Menschen über 60 wurde mit dem Risiko einer Sinusvenentrhombose begründet, eine in der Tat lebensgefährliche Komplikation.
Wie häufig ist sie? Der Preprint
Cerebral venous thrombosis and portal vein thrombosis: a retrospective cohort study of 537,913 COVID-19 cases
Maxime Taquet, Masud Husain, John R Geddes, Sierra Luciano, Paul J Harrison
erlaubt eine grobe Einschätzung für die Sinusvenenthrombose (cerebral venous thrombosis, CVT) und die ebenfalls gefährliche Pfortaderthrombose (portal vein thrombosis, PCT). Beide treten können erst Wochen nach der Impfung auftreten. Deswegen sollte etwa beim Auftreten von starken Kopfschmerzen schnell ein Arzt aufgesucht werden.
Die erste Version dieses Preprints ging im April 2021 stark durch die Presse da ein Nebenaspekt des Artikels hervorgehoben wurde (Vergleich der Thrombosehäufigkeit durch Vexrevria und BioNTech), der eigentlich gar nicht untersucht worden ist. Inzwischen liegt die dritte Fassung des Preprints vor. Darin liest sich nun:
Sinusvenenthrombose:
  • Nach dem mRNA-Impfstoffen Comirtany von BioNTech/Pfizer und Spikevax von Moderna: „Daten kompatibel mit 0,05 pro 100000“.
  • Nach Vexrevria von AstraZeneca: wird mit etwa 0,5 pro 100000 zitiert.
  • Nach Janssen: wird mit 0,1 pro 100000 Impfungen zitiert.
  • Nach Covid-19-Diagnose: 4,3 pro 100000; in 17% der Fälle tödlich.

Tatsächlich ist die Gefahr einer tödlichen PVT nach einer Covid-19-Diagnose deutlich höher (in 19% der beobachteten Fälle tödlich): 40 pro 100000.

Die Thrombosegefahr scheint höher zu sein, bei einer Vorbelastung durch Herz-Kreislauferkrankungen (und entsprechend niedriger beim Fehlen einer Vorbelastung).

 

21. Mai 2021 – Oliver Rheinbach

Die Coronavariante B.1.617.2 (Delta-Variante) könnte die Durchseuchung der Kinder bedeuten

(Bemerkung: Dieser Blog-Eintrag ist vom 21.5.2021. Unten folgen Nachträge)

Nach der aktuellen deutschen Impfstrategie werden die Kinder als letztes geimpft. Das ist erscheint sinnvoll, weil Kinder ein geringeres Risiko tragen folgenreich an Covid-19 zu erkranken als die Durchschnittsbevölkerung (zur Häufigkeit von Long-Covid bei Kindern ist immer noch wenig bekannt) – und dieses Risiko muss gegen das Risiko möglicher unerwünschter Nebenwirkungen von Impfungen abgewogen werden.

Leider wäre die neu nach Deutschland eingeschleppte Corona-Variante B.1.617.2 ein Game-Changer, wenn sie wirklich noch einmal 50% ansteckender sein sollte als B.1.1.7 (das ja schon ansteckender war, als der Wildtyp). Den wichtigsten Hinweis dazu liefert die aktuelle Karriere von B.1.617.2 in Großbritannien, wo sie innerhalb kurzer Zeit in einigen Regionen B.1.1.7 den Rang abgelaufen hat. Genauere Schätzungen der Basisreproduktionszahl werden wir daher sicher bald aus GB erhalten.

Warum ist die höhere Infektiösität ein Problem? Auch wenn die Impfungen  im Laborexperiment etwas weniger wirksam sein könnten, so weisen die detaillierten Infektionszahlen aus GB daraufhin, dass die dort gebräuchlichen Impfungen (darunter auch AstraZeneca, das ja in Indien stark eingesetzt wird, weil das Serum Institute of India eine Produktionslizenz hat) weiterhin wirksam zu sein scheinen: Die Infektionen steigen nur stark in den ungeimpften Bevölkerungsgruppen. Eine gute Nachricht.

Aber: Nach aktueller Maßgabe der Politik sollen die Schulen in Deutschland (und die Kindergärten) als erste aufmachen und als letzte schließen. Als Argument wird die Bildungsgerechtigkeit genannt (die könnte aber auch durch besseren, zentral organisierten Online-Unterricht hergestellt werden).

Das bedeutet, dass die Schulen bald in den weitgehend normalen Präsenzbetrieb gehen werden (weiterhin weitgehend ohne Luftfilteranlagen), dabei sind die Kinder mit dem Impffortschritt in den anderen Bevölkerungsgruppen bald der für den Erreger empfänglichste Teil der Bevölkerung. Jeder aktuelle Geburtenjahrgang hat in Deutschland etwa 700000 Kinder, d.h. es gibt mehr als 10 Mio Kinder und Jugendliche die noch länger ungeimpft bleiben werden, da es noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt (und er auch produziert und geliefert werden muss).

Und das Problem ist, dass es bei einer Basisreproduktionszahl von R0=6, selbst bei einer angenommenen Impfquote von 70 Prozent (und einer angenommenen Wirksamkeit der Impfung von 100%), immer noch zu einer Infektionswelle bei den Nichtgeimpften kommen würde. Das liegt daran, dass sich mit höherer Basisreproduktionszahl die Schwelle der Herdenimmunität immer weiter nach oben verschiebt.

Hier ist die Modellrechnung eines SEIR-Modells (Susceptibles, Exposed, Infected, Removed) mit R0=6, alpha=1/3, gamma = 1/10; beta = R0*gamma. Die angenommene Bevölkerungszahl ist 80 Mio. Bemerkung: Eine  Beschreibung des etwas einfacheren SIR-Modells ist hier zu finden.

Zum Tag 0 sei hier 1/1000stel der Bevölkerung mit der Variante angesteckt, die die erhöhte Basisreproduktionszahl R0=6 hat. 70% der Bevölkerung sei (etwa durch Impfung) am Tag 0 vollständig immun.

Die grüne Linie ist die Anzahl der Geimpften+Genesenen („R“, wobei hier Verstorbene auch als Genesen gelten). Wir sehen, dass es ab Tag 120 zu einer Infektionswelle (rot sind die Infizierten, „I“) kommt und der Anteil der Geimpften+Genesenen (grün) von 70% auf über 90% (genauer gesagt 91.9%) steigt. Das bedeutet, das sich in dieser Welle mehr als 2/3 der Ungeimpften noch infizieren, bevor die Ausbreitung des Virus langsam aufhört. Blau sind übrigens die Ansteckbaren („S“) und magentafarben (kaum sichtbar) sind die Exponierten („E“).

Professor Christian Drosten hat es so ausgedrückt:

„[Wer sich] dagegen entscheidet, sich impfen zu lassen, der wird sich [früher oder später] unweigerlich infizieren.“.
Siehe etwa hier bei NTV.de.

Deswegen wäre es wichtig gewesen, B.1.617.2 außer Landes zu halten – oder zumindest diese Variante entschieden einzudämmen. Wahrscheinlich ist der Zug allerdings abgefahren, denn mit aktuell geschätzten 2% der Ansteckungen in Deutschland (RKI-Bericht zu Virusvarianten vom 19.5.2021) wird die Variante B.1.617.2 in Deutschland wahrscheinlich einen ebensolchen Siegeszug erleben, wie B.1.1.7 im ersten Halbjahr 2021. Inzwischen sind etwa 90% der Proben in Deutschland B.1.1.7. Zur Erinnerung: Das erste Auftreten von B.1.1.7 in Deutschland war etwa zum Jahreswechsel 2020/2021.

RKI: Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland (19.5.2021)
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-05-19.pdf?__blob=publicationFile

Ich darf hier nochmal darauf hinweisen, dass die dritte Welle in Deutschland (verursacht durch die höhere Infektiösität von B.1.1.7) aufgrund von ebensolchen Rechnungen wie oben vorhergesagt wurde. Die Welle wurde dann durch Lockerungen noch verstärkt, und (leider) wurde ein weiterer, teurer Lockdown nötig.

Es zeigt sich, dass der Ansatz der westlichen Industrieländer (keine entschiedene Eindämmung, sondern nur Dämpfung der Ausbreitung auf R nahe 1 und Warten auf die Impfung; keine entschiedene Kontrolle der Grenzen, um den Eintrag neuer Virusvarianten zu verhindern) eine riskante Strategie bleibt, die letztlich teurer sein könnte, als eine entschiedene Eindämmung im Geiste von No-Covid (oder nach dem Vorbild asiatischer Länder).

Nachtrag: Das oben Beschriebene ist ein Szenario (!), aus dem die Politik Maßnahmen ableiten könnte (etwa Maßnahmen an Schulen, vorgezogene Impfkampagnen von Kindern, schnellere Beschaffung von Impfstoffen für Kinder, etc.). Da die Impfungen in Wirklichkeit keine Wirksamkeit von 100% haben, wird die o.g. Welle unter den Ungeimpften auch auftreten, wenn die Impfquote etwas höher als 70% ist. Natürlich können Ungeimpfte in den privaten Lockdown gehen. Die meisten Kinder sind allerdings schulpflichtig.

Die Politik oder die Gesellschaft könnte sich auch dazu entscheiden zu akzeptieren, dass 2/3 der Kinder sich infizieren.

Und falls B.1.617.2 nicht ansteckender sein sollte als B.1.1.7, sind wir sowieso in „good shape“, d.h. zumindest die oben beschriebene Welle fällt dann aus. Leider ist das inzwischen unwahrscheinlich.

Nachtrag (21.05.2021): Die Bundesregierung hat heute GB als Virusvariantengebiet eingestuft, wodurch starke Reisebeschränkungen gelten (siehe etwa hier und hier).

Nachtrag: Wer etwas über die mRNA-Impfstoffe erfahren will, kann diese phantastischen Artikel lesen, auf die ich erst jetzt aufmerksam geworden bin. Verständlich mit (ungefähr) Biologiewissen Gymnasium Oberstufe, aber mit genug Detail und Verweisen, sich tiefer damit zu beschäftigen:

Reverse Engineering the source code of the BioNTech/Pfizer SARS-CoV-2 Vaccine

Reverse Engineering Source Code of the Biontech Pfizer Vaccine: Part 2

Why Two Vaccines Passed the Finishing Line In a Year and Others Didn’t, and a Month 12 Roundup

The CureVac Vaccine, and a brief tour through some of the wonders of nature

Assemblies-of-putative-SARS-CoV2-spike-encoding-mRNA-sequences-for-vaccines-BNT-162b2-and-mRNA-1273

Wer sich für die Sicherheit der Coronaimpfkampagne in Deutschland interessiert, möchte vielleicht die Sicherheitsberichte des PEI lesen.

Nachtrag (24.05.2021): Der Bundesgesundheitsminister rief gestern dazu auf, BioNTech-Dosen (aktuell ab 16 Jahre zugelassen) für Schüler zu reservieren.

Nachtrag (31.5.2021): Nach der Zulassung von BioNTech/Pfizer für Jugendliche möchte die Bundesregierung die Impfung der Jugendlichen offenbar vorantreiben. Allerdings möchte die StiKo die Impfung für Jugendliche noch nicht empfehlen, sondern sie möchte mehr Daten abwarten, da die Risikoabwägung für Kinder schwieriger ist als für Erwachsene. Solche Daten werden allerdings wahrscheinlich bald aus den Ländern zur Verfügung stehen, die die Impfung der Jugendlichen bereits betreiben.

Nachtrag (31.5.2021): Wegen des exponentiellen Wachstums von B.1.617.2 in GB sieht ein Experte Großbritannien vor dritter Welle (Meldung von NTV vom ).

Nachtrag (1.6.2021): Nach Medienberichten, macht B.1.617.2 inzwischen 3/4 der Neuinfektionen in Großbritannien aus (erste Impfung 56 Prozent der Bevölkerung), ist also deutlich erfolgreicher als B.1.1.7.  Der Guardian berichtet von einer geschätzten SAR (Secondary Attack Rate) von 13.5% (+/- 1.0%) bei B.1.617.2 im Vergleich zu 8.1% (+/- 0.2%) bei B.1.1.7. In Deutschland (erste Impfung ca. 42 Prozent der Bevölkerung) scheinen die Anteile von B.1.617.2 noch einigermaßen stabil bei 2 bis 3 Prozent zu liegen.

In Australien berichtet Medien, dass man Corona-Ansteckungen schon bei „flüchtigem Kontakt“ (fleeting contact, stranger-to-stranger transmission) beobachtet wurden.

Nachtrag (11.6.2021): Die zuerst in Indien entdeckte Variante B.1.617.2 heisst nun Delta-Variante und ist deutlich ansteckender als B.1.1.7, welche nun Alpha heisst, hier die Daten von Public Health England. Die Studie betrachtet Ansteckungen im Haushalt.

„This study found a 64% increase in the odds of household transmission associated with infection with B.1.617.2 SARS-CoV-2 variant compared to B.1.1.7, following adjustmentfor the index cases’ vaccination status, as well as sex, ethnicity, IMD and age group.“ (Direkter Link zum Dokument)

Daher lässt die Studie noch keine direkten Rückschlüsse auf den R-Wert von Delta im Vergleich zu Alpha zu. Allerdings dominiert die Delta-Variante die Neuansteckungen in England inzwischen deutlich. Dem schon oben verlinkten Dokument kann man entnehmen (Link zur Referenz 2 eingefügt):

„By the end of May 2021, B.1.617.2 had become the dominant SARS-CoV-2 virus in England, accounting for over 90% of all new cases (2).“ (Direkter Link zum Dokument, Seite 7)

und (Links zu Referenz 2 und Referenz 4 eingefügt)

„Surveillance and modelling data suggest B.1.617.2 has quickly become the dominant variant in England. In England, the B.1.617.2 variant has by far highest growth rate, reflecting both the biological properties of this variant and the context in which it is transmitting (2, 4). The observed rapid spread of this variant in England and internationally necessitate investigation into the transmissibility advantage of this variant compared to the previously dominant variant, B.1.1.7, to assess its potential impact on the incidence in England.“ (Direkter Link zum Dokument)

Nachtrag (11.6.2021): Inzwischen ist die Diskussion, dass die durch die Delta-Variant zu erwartende vierte Welle im Herbst vor allem Kinder betreffen könnte, in den Medien angekommen:

Im Herbst könnte eine vierte Corona-Welle vor allem Kinder und Jugendliche treffen, da sie als Letzte geimpft werden. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie gefährlich Covid-19 für sie ist. Wie hoch ist ihr Risiko, schwer zu erkranken, wie wahrscheinlich sind langfristige Beeinträchtigungen? (NTV – Impfung oder Ansteckung – Wie gefährlich ist Covid für Kinder?)

Nachtrag: (17.6.2021): Inzwischen hat die Delta-Variante in Deutschland etwa 6 Prozent erreicht, GB hat durch Delta deutlich steigende Zahlen. Das hier beschriebene Szenario (Delta-Ausbreitung in den Schulen im Herbst) wird inzwischen auch in den Medien diskutiert. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), Carsten Watzl wird bei NTV zitiert:

„Wenn man die Infektion nicht einfach unter den Schulkindern durchlaufen lassen will, muss man sich spätestens jetzt an Konzepte wie Luftfilter machen, um nicht im Herbst wieder die Schulen zumachen zu müssen“, mahnte Watzl. (NTV – Experten mahnen: Auf Delta-Welle vorbereiten)

Nachtrag (18.6.2021): In einem Interview gibt Dr. Jana Schroeder den R-Wert von Delta mit „5 bis 8“ an und sagt

„Die Welle mit der Delta-Variante ist bereits quasi gebucht, auch für Deutschland.“ (NTV)

und weiter

„Für Schulen besonders wichtig ist eine niedrige Inzidenz. Denn wenn die Inzidenz niedrig ist, sind auch Ausbrüche an Schulen seltener. Zudem bedarf es mindestens einer uneingeschränkten Maskenpflicht nach Urlaubsrückkehr und, je nach Infektionsgeschehen, auch einer längeren Maskenpflicht. Luftdeckenfilter müssen flächendeckend installiert werden. In den Schulen haben wir eine Hochrisikosituation: viele Menschen in einem Raum. Und die kann durch technische Lösungen entschärft werden. Dann sollte die Testpflicht beibehalten und möglichst auch auf eine Pool-PCR-Testung umgestellt werden. Die Antigen-Schnelltests übersehen doch einen relevanten Teil der Infizierten.“ (NTV)

Nachtrag (22.6.2021): NTV meldet, basierend auf Zahlen einer Laborgemeinschaft, einen Delta-Anteil von 25 Prozent in den Daten der Laborgemeinschaft für Münchener Raum. Zum Anstieg gibt es nur zwei Datenpunkte:
8.6.2021 bis 13.6.2021: 11,2 Prozent Delta (81,6 Prozent Alpha; 6,3 Prozent Wildtyp; 0,9 Prozent Gamma)
14.6.2021 bis 20.6.2021: 24,6 Prozent Delta (58,7 Prozent Alpha; 15,9 Prozent Wildtyp; 0,8 Prozent Beta)
– Daraus, dass auch der Anteil des (weniger ansteckenden) Wildtyps von 6 Prozent auf 16 Prozent gestiegen ist, könnte man allerdings schließen, dass die Daten vergleichsweise verrauscht sind.

Nachtrag (23.6.2021): Etwa einen Monat nach diesem Blog-Eintrag bewahrheiten sich die Prognose: Die aktuellen Maßnahmen und das Verhalten der Bürger reicht aus, die Infektionszahlen durch B.1.1.7 (Alpha) zu senken. Gleichzeitig wächst leider die Anzahl der B.1.617.2-Variante (Delta), da die Variante noch ansteckender ist.

Die neuen Zahlen des RKI lauten nun:
KW21/2021 (Woche vom 24 Mai): 4 Prozent
KW22/2021 (Woche vom 31.Mai): 8 Prozent
KW23/2021 (Woche vom 5. Juni): 15 Prozent
Die die Infektionszahlen insgesamt noch zurückgehen, ist das weniger als Verdopplung jede Woche. Damit geht das Infektionsgeschehen dennoch (und mit Ansage) in Deutschland den gleichen Weg wie in GB. Deutschland wird in Kürze (wieder) vor der Entscheidung stehen: Infektionen laufen lassen oder Lockdown. Die Impfungen, jedenfalls, gehen aktuell nicht schnell genug, zumal die erste Impfstoff-Dosis gegen Delta wenig auszurichten vermag. Aktuelle Impfzahlen: Geimpfte Personen 51,6%, vollständig geimpft 32,4%.

Nachtrag (7.7.21): Inzwischen ist Delta in Deutschland die dominante Variante und hat allen anderen Varianten den Rang abgelaufen; siehe auch hier.

Nachtrag (7.7.21): Mithilfe von Simulationen mit einem (leicht verfeinerten) SEIR-Modell (mit 16 Altersgruppen) kommt das RKI zum Schluss, dass durch Delta nun eine Impfquote von mindestens 85% erreicht werden muss, um eine Delta-Welle im Herbst und Winter zu verhindern (Abb. 1 und Abb. 2 im Epidemiologisches Bulletin 27/2021 RKI mit dem Titel: „Welche Impfquote ist notwendig, um COVID-19 zu kontrollieren?„).

Nachtrag (25.8.21): Ein Artikel in der Zeit von Linda Tutmann fasst die Lage der Kinder im Herbst zusammen: „Wer eine ‚Pandemie der Ungeimpften‘ verkündet, dem sind die Kinder unter zwölf Jahren ganz offensichtlich gleichgültig. Sie werden der Durchseuchung überlassen.“ An meiner Befürchtung, dass die durch die Delta-Variante (B.1.617.2) verursachte Delta-Wenne (die bereits begonnenen hat) im Herbst die Durchseuchung der Kinder bringen könnte, hat sich nichts geändert. Die Schulen laufen im Normalbetrieb, weiterhin ohne Luftfilter, immerhin (noch) mit (beschwerlichen Alltags-)Masken.

Nachtrag (29.8.21): Berlin schafft die Kontaktverfolgung in Schulen und Kindergärten ab („Das ist eine Erleichterung für die Schulen […] aber auch eine Erleichterung für die Eltern […]“; Bildungssenatorin des Landes Berlin nach NTV-Corona-Live-Ticker.) Darüber berichten inzwischen viele Medien. Die Begründung der Berliner Amtsärzte wird meist nicht im Detail kommuniziert. Daher hier ein Auszug:

"Die vorherrschende Virusvariante vom sog. Deltatyp ist so ansteckend, dass mit einer sicheren Ansteckung der ungeimpften Kinder zwingend zu rechnen ist. Unter Berücksichtigung der im Regelfall ausbleibenden oder allenfalls milden Symptomatik bei Kindern und der für die Bevölkerung nicht als bedeutsam einzuschätzenden Infektiosität der Kinder, die ebenfalls vielfältig belegt ist, werden die Berliner GÄ zukünftig Kinder, die einen positiven Covid -19 Nachweis haben in Isolation schicken, nicht mehr ihre Kontaktpersonen außerhalb der haushalts- und haushaltsähnlichen Kontakte. Das gesamtgesellschaftliche Ziel, der Schutz der vulnerablen Gruppen und eine Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems werden dadurch, wie bewiesen, nicht beeinflusst."

(Hervorhebung nicht im Orginal.)
Quelle: "Vorgabe der Berliner Amtsärzte (Votum 12 von 12) zum Umgang mit positiv getesteten Personen und Kontaktpersonen im Setting Schule und Kita"
Stand 25.08.2021
https://www.tagesspiegel.de/downloads/27558300/2/amtsaerzte.pdf

Zur Erinnerung. Kinder unter 12 Jahren können aktuell nicht gegen Covid19 geimpft werden – und es besteht Schulpflicht auch für Kinder mit Risikofaktoren.

Das Vorgehen widerspricht klar der S3-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen – Lebende Leitlinie„, Kapitel 7 Umgang mit Kontaktpersonen in Schulen.
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-076.html

Einzuwenden ebenfalls:
a) Kinder haben nicht immer eine „ausbleibende oder milde Symptomatik“. Eine komplette Durchseuchung der ca. 500000 Kinder von 0 bis 12 Jahre in Berlin kann z.B. einige hundert Fälle des  PIMS-Syndrom bedeuten. (Einige Arbeiten schätzen die Häufigkeit von PIMS auf etwa 1:3000). Etwa 1 Prozent der Kinder müssen nach einer SARS-CoV-2-Infektion ins Krankenhaus; siehe hier.
b) Kinder sind auch für Erwachsene infektiös, auch wenn gerne etwas anderes behauptet wird. („Kinder sind keine Treiber der Pandemie“ ist vor allem eine politische Formel, die gar nicht genau definiert werden kann.)
c) Alle Daten gelten für die bisherigen Varianten von SARS-CoV-2.  Die inzwischen in Deutschland vorherrschende Delta-Variante ist aber deutlich infektiöser (R-Wert 8 oder mehr statt einem R von 2 bis 3) und gefährlicher (doppelt so viele Hospitalisierungen bei Erwachsenen).

Die Studie zu Impfung von Kindern von Biontech/Pfizer und die Kidcove Studie von Moderna laufen seit März 2021. Die Daten der Biontech-Studie für die ältere Kindergruppe (5 Jahre bis 11 Jahre) sollten ursprünglich im September vorliegen. Verzögerungen könnten sich ergeben, da die Rekrutierung auf Wunsch der US-Behörden nachträglich erhöht wurden, um seltene Nebenwirkungen (etwa die Myocarditis) besser zu erfassen.

Wenn Berlin sich beeilt, nehmen die Amtsärzte den Eltern die Entscheidung zwischen „Immunität durch Infektion“ und „Immunität durch Impfung“ ab. Es wird dann wohl die Infektion.

Nachtrag 30.08.2021: Der WDR berichtet online: „Die Durchseuchung der Kinder hat begonnen.“ In NRW haben die Altergruppen 5 bis 9 Jahre, 10 bis 14 Jahre und 15 bis 19 Jahre die höchsten Inzidenzen, nämlich 328, 385 und 294. Die Menschen 24 und 45 Jahre liegen etwa bei der Hälfte. Die Senioren liegen zwischen 20 und 40. Da Delta so ansteckend ist, können Kinder und Jugendliche das Virus nachgelagert auch in der Bevölkerung weiter verbreiten:

„[…] Somit können eben auch Kinder und Jugendliche das Virus weiter im Familien- und Freundeskreis verbreiten, auch wenn sie selbst selten erkranken und wenn doch, dann in der Regel nicht schwer. Das sagt auch die Kinder- und Jugendmedizinerin Folke Brinkmann, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Bochum.

Kinder und Jugendliche hätten ein etwa einprozentiges Risiko, schwer an Covid zu erkranken. Förster gibt allerdings zu bedenken: ‚Über Long-Covid bei Kindern weiß man noch sehr wenig, so dass nach wie vor Vorsicht geboten ist.‘ […]“

Nachtrag 31.8.2021: Nach Berlin möchte die nächste Großstadt, Köln, die Kontaktverfolgung an Schulen einstellen und nur noch positiv Getestete Kinder und Jugendliche isolieren.

Ein Dokument der CDC zeigt derweil, wie schnell sich Delta in einer Grundschule (elementary school; 0. bis 8. Klasse) in Kalifornien verbreitet hat. Ein Grundschullehrer steckt fast die gesamten ersten zwei Reihen seiner Klasse mit Delta an (die USA haben Einzeltische für die Schüler im Abstand von 2 Metern), sowie ein Kind in der dritten Reihe, eins in der vierten Reihe und zwei in der fünften Reihe. Letztlich hat der Lehrer seine halbe Klasse angesteckt:

„The attack rate in one affected classroom was 50%; risk correlated with seating proximity to the teacher.“

Trotz offenem Fenster, offener Tür und einem mobilen Luftfilter in der Nähe der Tafel. Allerdings trug der Lehrer (zeitweise) keine Maske. Die Kinder trugen Masken – wahrscheinlich aber solche, die nicht vor Aerosolen schützen, also nur Alltags- oder OP-Masken. Weitere Kinder aus anderen Klassen steckten sich ebenfalls an – wahrscheinlich bei den anderen Kindern („[…] thought to be interaction at the school“)

Zeitskala: Lehre bekam Symptome am 19. Mai 2021, er unterrichtet dennoch noch 2 Tage bis zum 21. Mai 2021. Die ersten Schüler bekamen am 22. Mai Symptome.

Der Lehrer war ungeimpft – aber auch Geimpfte sind, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren, leider in den ersten Tagen genauso infektiös wie Ungeimpfte. Infektionen trotz Impfung („Durchbruchsinfektionen“) werden wir mit Delta im kommenden halben Jahr noch sehr häufig sehen; die Wahrscheinlichkeit für eine Durchbruchsinfektion liegt, je nach Alter (jünger ist besser), Impfstoff (mRNA ist besser), Zeitpunkt der Impfung (kürzlich ist besser) und Impfintervall (länger ist besser) bei geschätzten 10 bis 20 Prozent. Bei Senioren auch mehr. Wenn die israelischen Daten übertragbar sind, könnten es auch 35 Prozent sein.

In ihrer „Discussion“ schreiben die CDC-Autoren

„The outbreak’s attack rate highlights the Delta variant’s increased transmissibility and potential for rapid spread, especially in unvaccinated populations such as schoolchildren too young for vaccination.“

Deutsche Medien berichteten ebenfalls über den Ausbruch an der Grundschule, z.B. Spiegel und NTV.

Nachtrag 31.08.2021: Israel meldet für BioNTech/Pfizer nur noch eine Wirksamkeit von nur noch 39 Prozent gegen eine symptomatische Infektion mit Delta. Der Schutz vor schweren Verläufen bleibt hoch (88 Prozent). Allerdings gibt es noch keinen wissenschaftlichen Artikel zu diesen Zahlen (oder auch nur einen Preprint). Die Daten könnten verzerrt sein. Daten anderer Länder zeigen bislang keinen so starken Abfall der Wirksamkeit. Aber die Konsequenz wäre, dass auch viele Geimpfte andere Menschen infizieren könnten. Ein Verzicht auf Tests bei Geimpften wäre dann fahrlässig. Daher muss die Wirksamkeit weiter genau beobachtet werden.

Nachtrag 15.9.2021: In einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) (gemeinsam mit der DGKH) geht man davon aus, dass

„Insgesamt ist damit zu rechnen, dass sich in den nächsten Monaten ein erheblicher Anteil aller Kinder und Jugendlichen mit der Delta-Variante des SARS-CoV-2 infiziert (oder mit dieser in Kontakt kommt).“

Die Risikoeinschätzung stellt im Wesentlichen auf die Hospitalisierung (1 Prozent) und Sterblichkeit ab:

„Weniger als eines von 100 Kindern mit einer SARS-CoV-2 Infektion muss ins Krankenhaus aufgenommen werden, 5% aller im Krankenhaus behandelten Kinder mit SARS-CoV-2 Nachweis benötigen eine Intensivtherapie und 3 bis 4 von 1000 dieser stationär behandelten Kinder versterben mit oder an COVID 19.“

Das Risiko für PIMS und Long Covid wird nicht gesehen:

„Das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) und Long-COVID sind bei Kindern unter 12 Jahre so selten, dass sie nicht als Argument für schwerwiegende und schädliche Eingriffe in den Alltag der Kinder herhalten können.“

Sogar von systematischen Testen an Schulen wird abgeraten.

Andererseits wird doch zu Long Covid bei Kindern (allerdings erst auf Seite 13) ausgeführt:

„In einer Kohorte von 4678 Kindern, die in Schottland und Wales am VirusWatch Projekt teilgenommen haben (prospektive haushaltsbezogene Kohortenstudie) lag die Rate von Kindern mit Symptomen über 4 Wochen nach der Diagnose bei 4,6 %. Häufiger waren Mädchen, Teenager und Kinder mit vorbestehender Grunderkrankung betroffen.“

Nachtrag 3.2.2022: Schon in der Deltawelle waren die Kinder zum Teil am stärksten betroffen. Aktuell sehen wir eine Durchseuchung der Kinder durch Omikron: „Das Fallaufkommen zieht dem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge weiter stark an. Demnach bleiben in der Omikron-Welle Kinder bis 14 Jahren am stärksten vom Infektionsgeschehen betroffen. In ihrer Altersgruppe schießt die Wochen-Inzidenz in der vierten Kalenderwoche auf 2591,68. Ebenfalls stark betroffen sind Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 34 Jahren. Bei ihnen steigt die Wochen-Inzidenz auf 1696,26.“ (NTV)

Die offizielle bundesweite 7-Tage-Inzidenz ist 1283 (von 100000).

Nachtrag 3.2.2022: Moderna hatte schon zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 öffentlich gemacht, dass es für die Dauer der Pandemie die Eigentumsrechte an seinem Impfstoff nicht durchsetzen werde. Jetzt nutzt das erste Unternehmen diese Möglichkeit: „In Südafrika will das Biotechunternehmen Afrigen Biologics erstmals einen eigenen Covid-19-Impfstoff für den afrikanischen Kontinent herstellen. Die Firma aus Kapstadt will dafür die öffentlich zugängliche Sequenz des mRNA-Vakzins von Moderna verwenden, um eine eigene Version des Impfstoffs zu entwickeln. Diese könnte noch in diesem Jahr am Menschen getestet werden, erklären leitende Angestellte von Afrigen.“ (NTV)

Hier das damalige Statement von Moderna von 2020: „We feel a special obligation under the current circumstances to use our resources to bring this pandemic to an end as quickly as possible. Accordingly, while the pandemic continues, Moderna will not enforce our COVID-19 related patents against those making vaccines intended to combat the pandemic. Further, to eliminate any perceived IP barriers to vaccine development during the pandemic period, upon request we are also willing to license our intellectual property for COVID-19 vaccines to others for the post pandemic period.

Seltsamerweise hat dieses Statement in der Diskussion um die Freigabe von Impfstoffpatenten in den deutschen Medien nie eine Rolle gespielt.

17. Mai 2021 – Oliver Rheinbach

B.1.617.2 ist das neue B.1.1.7 – noch ansteckender

202, 520, 793 – das ist die wöchentlichen Fälle von B.1.617.2 in Großbritannien Anfang Mai 2021, in einem Umfeld, in dem der B.1.1.7-Typ (ohne den es Deutschland keine dritte Welle und den zugehörigen Lockdown gegeben hätte) in GB ein R nahe 1 hat (siehe auch Sage-Protokoll unten).

B.1.617.2 ist die Corona-Variante, die zumindest zum Teil für die Ansteckungswelle in Indien verantwortlich ist.

Es sind wenig Datenpunkte, aber leider sieht es wieder genauso aus wie die Daten vom Dezember 2020, als GB Europa (und die Welt) vor B.1.1.7 warnte. Man sieht exponentielles Wachstum der Variante unter Lockdownbedingungen, die ausreichten, um die alte Variante einzudämmen.

Das Sage-Protokoll vom 13.5.2021 erwähnt dann auch eine um 50% erhöhte Übertragbarkeit von B1.617.2 zu B.1.1.7 als Möglichkeit. Diese Schätzung basieren auf Parameteridentifikationsrechnungen; falls ich die Quellen finde, werde ich sie noch hier verlinken.

Das bedeutet insgesamt aber, dass es nun noch teurer werden wird (in Geld und in Freiheit), die neue Variante einzudämmen – denn die Impfungen (ein Immun-Escape von B.1.617.2 ist unklar, aber die aktuellen Impfstoffe scheinen nicht vollkommen unwirksam zu werden) kommen nicht einmal in Großbritannien schnell genug voran, um eine B.1.617.2-Welle allein durch Impfungen zu verhindern.

Daher zieht GB nun für die Risikogruppen die zweite Impfdosis vor, um zumindest ihnen maximalen Schutz zu geben, obwohl das die Impfung aller anderen verlangsamen wird. Und obwohl die Schutzwirkung mit eigentlich mit längerem Impfintervall größer wird. Das zeigt, dass man in GB Zeitdruck sieht:

Appointments for a second dose of a vaccine will be brought forward from 12 to 8 weeks for the remaining people in the top nine priority groups who have yet to receive their second dose. This is to ensure people across the UK have the strongest possible protection from the virus at an earlier opportunity.The move follows updated advice from the independent experts at the Joint Committee on Vaccination and Immunisation (JCVI), which has considered the latest available evidence on the variant and has recommended reducing the dosing interval to help protect the nation from the variant [B.1.617.2]. (NHS Publication Reference C1290)

Um es klar zu sagen: Das ist deprimierend.

Anfang 2020 (vielleicht auch Ende 2019) wurde das Corona-Virus SARS-CoV-2 nach Europa eingeschleppt (in der Ursprungsvariante, die nun „Wildtype“ heißt), es gab zwar einen, noch ganz neuen, PCR-basierten Test, aber kaum Testkapazität. Es gab kaum Schutzmaterialien, sogar in den Krankenhäusern. Es ist verständlich, dass eine unkontrollierte Ausbreitung in Form der ersten Welle passieren konnte. Auch, wenn (sogar) die WHO inzwischen sagt, dass die Pandemie durch schnellere und entschiedenere Reaktion hätte verhindert werden können.

Ende 2020 oder Anfang 2021 wird die ansteckendere Variante B.1.1.7 nach Kontinentaleuropa eingeschleppt, mit deutlicher Vorwarnung. Die neue Variante ist dann verantwortlich für die dritte Welle in Deutschland (und den zugehörigen, teuren Lockdown), die es in dieser Form ohne B.1.1.7 nicht gegeben hätte.

Mehr als ein Jahr nach der Pandemie gelingt nun der neuen, möglicherweise noch ansteckenderen Variante B.1.617.2 die Reise um die halbe Welt nach Europa und inzwischen auch in die EU – so, als ob es das erste Mal wäre.

 

 

PS: In vielen Medien wird (auch nach der Initiative von Joe Biden) diskutiert, wie durch Aussetzung von Patenten, die weltweite Corona-Impfkampagne beschleunigt werden könnte, etwa hier:

„Indiens Serum Institute of India ist der weltweit größte Impfstoffhersteller und könnte in relativ kurzer Zeit einen eigenen Impfstoff auf mRNA-Basis herstellen.“ (Welt, Marcel Fratzscher)

Nur: Das Serum-Institute of India hat schon längst eine Lizenz für einen sehr wirksamen Corona-Impfstoff, nämlich AstraZeneca.

Es ist inzwischen vergessen, aber AstraZeneca war der Impfstoff, auf den sowohl die EU als auch die USA bei ihren ersten Bestellungen 2020 massiv gesetzt hatten: Die USA orderten bereits im Mai 2020 (!) 300 Mio Dosen, mehr als von allen anderen Impfstoffen. Die EU orderte im August ebenfals 300 Mio Dosen. Deutlich vor der Bestellung von BioNTech/Pfizer, die erst im November (!) 2020 von der EU angekündigt wurde. In der Realität besteht die Impfkampagne in den USA und der EU von Ende 2020 bis Mitte 2021 dann vor allem aus BioNTech/Pfizer und Moderna – weil sie früh und verlässlich liefern, anders als AstraZeneca.

Im Februar bedauerte der CEO dann per Twitter, dass das Serum Institute der Welt wenig liefere, denn

“[The Serum-Institute of India] has been directed to prioritise the huge needs of India and along with that balance the needs of the rest of the world,”

Der AstraZeneca-Impfstoff ist deutlich einfacher zu produzieren, zu lagern und zu verteilen als mRNA-Impfstoffe, er war 2020 vorgesehen als der Welt-Impfstoff überhaupt. Übrigens soll das Serum-Institute auch eine Milliarde Dosen des proteinbasierten Impfstoffes von Novavax herstellen.

Ach ja: Moderna, der zweite mRNA-Impfstoff, der in der EU (und den USA) massiv eingesetzt wird, hat schon im Oktober 2020 erklärt, dass es in der Pandemie auf die Durchsetzung seiner Patentrechte verzichten wird:

„Accordingly, while the pandemic continues, Moderna will not enforce our COVID-19 related patents against those making vaccines intended to combat the pandemic. Further, to eliminate any perceived IP barriers to vaccine development during the pandemic period, upon request we are also willing to license our intellectual property for COVID-19 vaccines to others for the post pandemic period.“

Bislang hat kein Generika-Hersteller die Produktion des Moderna-Impfstoffes angekündigt.

PPS: Die Unversität von Helsinki hat sogar einen Open-Source Corona-Impfstoff entwickelt, d.h. sie verzichtete von Anfang an auf jegliche Rechte. Es fehlen aber die Zulassungsstudien, die einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Deutlich zuviel für eine Universität.

04. März 2021 – Oliver Rheinbach

Nun trägt jeder Bürger die Verantwortung für die lokale Wirtschaft.

Die Bund-Länder-Beschlüsse von heute kann man wie folgt zusammenfassen: Je niedriger die (Melde-)Inzidenz, desto normaler das Leben. Je höher die Inzidenz, desto mehr Lockdown kehrt zurück.

Das heisst, wer die lokale Innenstadt retten will, muss mithelfen, die Inzidenz niedrig zu halten.

Die Zahl des Tages ist 100. Liegt in einem Landkreis drei Tage lang die 7-Tage-Inzidenz über 100, kommt der Lockdown zurück.

Die Beschlüsse zeigen auch eins sehr deutlich: Die Politik wird nicht von Virologen bestimmt. Die Zahl 100 ist nicht wissenschaftlich begründet. Sie wurde gewählt, weil die meisten Landkreise aktuell zwischen 50 und 100 liegen, also noch ein bisschen Luft zur 100 ist.

Inzwischen sind fast 50 Prozent der Ansteckungen durch die Corona-Variante B.1.1.7 verursacht, von der man inzwischen sehr genau weiß, dass sie schwer einzudämmen ist. Nicht mal der Lockdown vom Januar und Februar in Deutschland reichte, um B.1.1.7 von der Ausbreitung abzuhalten. Es ist klar, dass B.1.1.7 in Kürze große Teile Deutschlands zurück in den Lockdown bringen wird (die „Notbremse“ bei Inzidenz > 100; man beachte dabei: seit Herbst 2020 werden nur noch symptomatische Fälle getestet). Das Risiko, dass die dritte Welle viele Opfer fordert, wird von der Politik eingegangen.

Deswegen sind die Beschlüsse auch eine Kapitulation vor dem Druck der Wirtschaft und aus der Bevölkerung. Der Wunsch nach Normalität ist verständlich. Wir haben uns offenbar an die Lage gewöhnt: Aktuell liegen 3000 Corona-Infizierte auf den Intensivstationen. Davon werden 1000 in den nächsten Wochen sterben. Mehr als 300 Menschen pro Tag starben in den letzten 2 Wochen. Die Langzeitschäden werden noch gar nicht systematisch erfasst.

Andererseits sind die Beschlüsse auch ein Aufbruch zu mehr Eigenverantwortung des Bürgers (endlich Selbsttests!), mehr Testen (mindestens ein Schnelltest pro Woche in Schulen, Kindergärten, …, leider nicht in Firmen) und mehr Digitalisierung, vielleicht Luftfilter (wahrscheinlich den Kommunen weiterhin zu teuer). Wenn das alles kommt, kommt es reichlich spät (und ist immer noch zu wenig), aber immerhin.

Ob es reichen wird, eine starke dritte Welle zu vermeiden kann aktuell niemand wissen. Die große Unsicherheit ist das Verhalten der Menschen. Wie diszipliniert werden die Deutschen sein?

Wenn ich mich aktuell umschaue, dann habe große Zweifel an der Disziplin der Deutschen. Im (!) Supermarkt sehe ich Menschen mit Maske unter dem Kinn einkaufen. Und noch mehr Menschen mit Maske unter der Nase. In geschlossenen Räumen ist das rücksichtslos gegenüber anderen Kunden, aber besonders gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Und nun – mittelbar – auch rücksichtslos gegenüber der lokalen Wirtschaft.

Nachtrag (06.03.2021): Die ersten Lieferungen von Selbst-Schnelltests in Discountern und Drogerien sind heute innerhalb kürzester Zeit ausverkauft gewesen. Das zeigt, wie kurzsichtig es war, dass man dieses Mittel bisher, aus Rücksicht auf Partikularinteressen, nicht genutzt hat. Die Bereitschaft, sich selbst zu testen, scheint sehr groß zu sein. Die Selbst-Schnelltests hätten, auch in Deutschland, schon seit einem halbem Jahr zur Verfügung stehen können. – Und offenbar reichen die vom Bund gesicherten Mengen für die Schulen und Kindergärten nur für einen Test pro Woche, statt (was sicherer wäre) zwei Tests pro Woche.)

 

15. Februar 2021 – Oliver Rheinbach

In 6 bis 8 Wochen kommt der nächste harte Lockdown – um die Corona-Mutante B.1.1.7 einzudämmen

Text vom 15.2.2021: Während in deutschen Medien über Lockerungen diskutiert wird, breitet sich Corona Variante B.1.1.7 weitgehend unbemerkt aus. Bisher wusste man nicht genau, wie schnell.

Einschub-Anfang (21.02.2021): Das Wesentliche Problem an B.1.1.7 ist, dass diese Coronavariante sich in Großbritannien sich im Herbst 2020 trotz eines „Lockdown-light“ (der für die Eindämmung der alten Variante genügt hatte) exponentiell ausgebreitet hat, siehe meinen Beitrag vom Dezember 2020. Es konnte wenig Zweifel daran geben, dass B.1.1.7 das auch in Deutschland zustande bringen würde, wenn es erst einmal ins Land gelangt, und wenn R dann nicht über einen längeren Zeitraum deutlich unter 0,8 gedrückt wird (was es zu keinem Zeitpunkt seit Ende 2020 wurde). Dabei ist das R immer ein Ergebnis der  (a) staatlichen Maßnahmen, (b) deren Einhaltungsdiszipin, und (c) der freiwilligen Eindämmungs-Disziplin (also ohne staatliche Zwänge).  Einschub Ende

Seit 10.02.2021 gibt es den RKI-Bericht (Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.1.1.7), anhand dessen man die Verbreitung von B.1.1.7 schätzen kann.

Die wesentliche Tabelle ist Tabelle 1. Hier die Daten auszugsweise:

Kalenderwoche
2021
Tests auf Mutanten (VOC) Hinweise auf Mitanten (VOC) Abteil in Prozent Hinweise auf B.1.17 Hinweise auf B.1.351
2 (11.01.2021) 49 1 2 1 0
3 (22.01.2021) 3291 121 4 121 0
4 (01.02.2021) 30348 1546 5 1452 93
5 (08.02.2021) 23530 2832 12 2642 190

Mitgeliefert wird von RKI eine Karte (Abbildung 1), aus der hervorgeht, dass das Auftreten der Mutanten auf ganz Deutschland verteilt ist.

Nun sind die Zahlen für KW1 und KW2 zu klein, um aussagekräftig zu sein.

Nun kann man zudem auch sagen: Selbst, wenn es real ist, was man in Spalte 4 sieht, warum sollte es beunruhigen, dass B.1.1.7 (im aktuellen Lockdown mit weitgehend geschlossenen Schulen!) seinen prozentualen Anteil an den Infektionen so erfolgreich ausbaut?

Antwort: Es sollte uns beunruhigen, weil man sieht, dass die aktuelle Corona-Disziplin in Deutschland (wir sind im Lockdown mit weitgehend geschlossenen Schulen!) genügt nicht reicht, um die Variante B.1.1.7 einzudämmen.

Dazu muss man sich erinnern, wie die Katastrophe in Großbritannien im Herbst 2020 angefangen hat. Die Variant of Concern B.1.1.7 ist gerade dadurch aufgefallen, dass sie im Lockdown-light in GB exponentiell wuchs (siehe meinem Beitrag vom Dezember 2020).

Hier die Zahlen eines Großlabors (Milton Keynes Lighthouse lab); das ist Figure 2 im Bericht des Public Health England.

Prozentsatz der Mutanten mit „S gene target failure“ (insbes. B.1.1.7)
KW 42 (12.10.2020) 5%
KW 43 (19.10.2020) 15%
KW 44 (26.10.2020) 32%
KW 45 (02.11.2020) 54%
KW 46 (09.11.2020) 78%
KW 47 (16.11.2020) 86%
KW 48 (23.11.2020) 94%
KW 49 (30.11.2020) 96%

Die schnelle Ausbreitung von B.1.1.7 in Großbritannien schlug sich ab Anfang Dezember 2020 in den landesweiten Infektionszahlen nieder und so musste Großbritannien dann am 14.12.2020 in die härteste Lockdownstufe gehen (siehe auch hier), nämlich inklusive Stay-at-Home-Regeln nach Tier 3 mit geschlossenen Geschäften, geschlossenen Schulen, etc. Hier die Liste der Grausamkeiten nach Tier 3.

Auszug gefällig? „You cannot leave your home to meet with anyone except where:• you live with them • you are in a support bubble with them.“

Glücklicherweise sind immerhin die Tier-3-Maßnahmen ausreichend, um B.1.1.7 einzudämmen, wie man an den seit 10.01.2021 sinkenden Zahlen in GB sieht.

Allerdings sind die Infektionszahlen in GB jetzt (Mitte Februar) noch nicht wieder auf das Niveau von Anfang Oktober 2020 gesunken. Und diese Maßnahmen dürften sehr teuer sein.

Nun sind die Zahlen des RKI zu unsicher, um damit ein numerisches Modell zu kalibrieren. Andererseits ist allerdings ziemlich sicher, dass die  Infektionsdisziplin (oder Hygienedisziplin?) im aktuellen Lockdown (mit weitgehend geschlossenen Schulen und Kindergärten mit 30% Notbetreuung!) nicht ausreicht, um B.1.1.7 aufzuhalten, siehe den Beitrag vom Dezember 2020. Der R-Wert pendelt in Deutschland um 0,9, was selbst bei optimistischen Schätzungen zur Infektiösität von B.1.1.7 nicht ausreicht, um B.1.1.7 vom exponentiellen Wachstum abzuhalten. In dem Sinne sind die Zahlen des RKI keine Überraschung.

Man kann daher mal einfach überschlagen, dass Deutschland in der KW 5 (08.02.2021) etwa da angekommen ist, wo Großbritannien in der KW 43 (19.10.2020) war.

Großbritannien hatte ab der KW43 mit einem Anteil von 15% B.1.1.7 an den Coronainfektionen noch etwa 2 Monate bis zum harten Tier-3-Lockdown. Es mag sein, dass der aktuelle deutsche Lockdown etwas effektiver ist, als der britische vom Herbst 2020. Allerdings reicht die Disziplin offensichtlich (und leider) nicht aus, denn der R-Wert ist zu hoch. Er müsste über einen längeren Zeitraum bei R=0,7 liegen, was nicht mal im ersten Lockdown (in der ersten Welle) in Deutschland erreicht wurde. Allerdings waren damals keine FFP2-Masken breit verfügbar und das Maske-Tragen war noch verpönt.

Da aktuell aber sogar mit Lockerungen zu rechnen ist (Schulen, Kindergärten), kann man vorhersagen, dass etwa 6 bis 8 Wochen bis zu einem harten Lockdown in Deutschland bleiben. Man kann nur hoffen, dass ein Lockdown angelehnt an die britischen Tier-3-Regeln verhindert werden kann. Dazu müssten aber andere Mittel gefunden werden als das grobe Mittel der Ausgangssperren.

Alternativen? Man muss nun, unter den aktuellen Umständen, alles ausschöpfen, um dem R-Wert zu reduzieren. Was könnten Maßnahmen sein?

Zunächst:

  • Die Impfungen können B.1.1.7 nicht aufhalten, weil sie zu langsam passieren.
  • Aktuelle Grenzschließungen (Tschechische Republik, Tirol) können nur noch den verstärkten Eintrag von B.1.1.7 verhindern. Die Mutante ist längst in Deutschland. Hätte man den Eintrag von B.1.1.7 nach Deutschland verhindert wollen, hätte man deutlich früher handeln müssen.

Aber:

  • Die Kontaktverfolgung der Gesundheitsämter passiert immer noch auf Basis eines fehlerhaften Papers in Nature Medicine. Das könnte verbessert werden.
  • Die Corona-App ist nicht effektiv genug: In den letzten 7 Tagen gab es durchschnittlich 7222 gemeldete Coronainfektionen, aber nur durchschnittlich 972 warnende Personen. D.h. nur jeder siebte Infizierte warnt andere über die App. Damit ist die App ein stumpfes Schwert. Wie kann das verbessert werden? Übrigens basieren auch die Warnungen der App wahrscheinlich auf dem fehlerhaften Nature-Medicine-Paper.
  • Corona-Schnelltests für den Eigengebrauch stehen immer noch nicht zur Verfügung, dabei könnten sie – sofern in Massen günstig produziert – die Eigenverantwortung erheblich stärken. Es ist absurd, dass in Deutschland dieses Mittel nicht zur Verfügung steht.
  • In Großbritannien gibt es das Konzept der „Bubbles“. Angelehnt daran könnte man private Kontakte, Kontakte in Schulen, Kindergärten und am Arbeitsplatz vollständig in „Blasen“ organisieren, ohne Kontakt zwischen den Blasen. Sicher ist das schwierig umzusetzen.
  • Luftfilter in Schulen und Kindergärten werden Infektionen nicht vollständig verhindern können, aber die Kosten sind gering gegenüber den Lockdown-Kosten. In Kindergärten werden keine Masken getragen, weshalb Erzieherinnen (und Erzieher) für März bis November 2020 nach einer Analyse der BKKs das höchste Infektionsrisiko aller Berufsgruppen hatten.
  • Nur für 20 % der Infektionen ist dem RKI bekannt, wo sie passiert sind. Es würde sich lohnen, für eine Modellregion mit massivem Aufwand wirklich alle Kontakte aufzuklären. Das würde bedeuten, über die Kontaktverfolgungsregeln des RKI hinauszugehen, also auch Kontakte <15 Minuten, auch mit OP-Maske, auch über 1,50m (insbesondere in Innenräumen) aufzuklären.
  • Andere Ideen, um R zu reduzieren?

Oder doch über No-Covid diskutieren?

Nachtrag (21.02.2021): Die dritte Welle deutet sich an. Aktuell liegt der R-Wert laut RKI bei 0,9 oder  bei 1,0 (die Entwicklung ist immer noch dominiert von der klassischen Variante).  Bei optimistischer Schätzung haben wir also einen R-Wert in der Nähe von 1,2 für B.1.1.7 zu erwarten – trotz aktuellem Lockdown. Der aktuelle Lockdown wird allerdings sowieso gerade durch Lockerungen aufgeweicht wird, leider ohne dass Ersatzmaßnahmen hinzukommen, etwa eine ausgeweitete Teststrategie. Durch die Öffnung der Schulen wird der R-Wert für B.1.1.7 wohl eher höher als R=1,2 liegen. Es triff sich aber gut, das wir Szenarion R=1,2 (täglich grüßt das Murmeltier) schon im August 2020 besprochen haben: Ohne zusätzliche Eindämmungsmaßnahmen (allerdings ist R=1,2 für B.1.1.7 schon unter Lockdownbedingungen) dauert es mehr als ein Jahr bis zum Maximum der Welle. Insgesamt würden sich 25 Millionen Menschen anstecken. Ein Prozent Sterblichkeit angenommen, würde das 250000 Tote bedeuten.

In der Realität würde (bei einer Welle dieser Dauer) die Impfung die Welle dämpfen, sobald ein substantieller Teil der Bevölkerung geimpft ist. Leider laufen die Impfungen (durch eine verfehlte Impfstoffbeschaffung der EU) sehr langsam.

Bemerkung (01.03.2021): Übrigens sind die aktuellen Lockerungen trotz der kommenden dritten Welle der Beweis, dass die Politik nicht von der Virologie und Epidemiologie bestimmt wird. Erst recht nicht von einzelnen Virologen.

Bemerkung 2 (01.03.2021): Warum läuft es aktuell in Deutschland nicht rund? Ein (nicht nur deutsches) Problem dürfte sein, dass Lobbygruppen im öffentlichen Diskurs einen ebenso hohen Stellenwert haben, wie Stellungnahmen aus der Wissenschaft. Beispiel? Schnelltests: In Südkorea seit langem im Einsatz – in Deutschland blieb das Testen bis jetzt (nach 70000 Toten) Privileg für medizinisches Fachpersonal. Anderes Beispiel: Berufsverbände der Kinderärzte fordern seit Monaten regelmäßig die Öffnung der Schulen:

„Die Devise muss lauten: Kitas und Schulen auf – und zwar jetzt“, sagte der Chef des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“.

„Die Öffnung der Schulen habe unter strikter Berücksichtigung der neuen S3-Leitlinie zu „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ zu erfolgen, so Fischbach. „Mehr an Vorsichtsmaßnahmen geht nicht.“ (Ärztezeitung)

Bei einer solchen Superlativ („Mehr an Vorsichtsmaßnahmen geht nicht.“) könnte man schon stutzig werden. Auch hier machen sich die Vertreter der Kinderärzte Sorgen um die Bildungschancen der Kinder (!):

„Auch nach dem Auftreten von Virusmutationen bleibt es dabei, dass Kinder und Jugendliche keine Treiber der Pandemie sind“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Deshalb können und müssen alle Schulen und die Kitas umgehend wieder geöffnet werden. Sie spielen im Infektionsgeschehen keine nennenswerte Rolle.“ (Link zu NTV)

Man fragt sich: Haben die Kinderärztevertreter neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die nun so eindeutige Aussagen zulassen? Leider nein. Die geschlossenen Schulen und Kindergärten bescheren den Praxen allerdings Umsatzausfälle von 20 bis 40 Prozent, etwa, weil sich die Kinder im Lockdown nicht mehr mit Grippe und Kinderkrankheiten anstecken:

„Vielen Praxen steht das Wasser bis zum Hals“, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach der NOZ. Als Grund für die akuten Einnahmeausfälle wird ein coronabedingter Rückgang der Behandlungen „zwischen 20 und 40 Prozent“ genannt. (Link)

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Vorsorgeterminen und Distanzunterricht?

Noch ein Beispiel für die Dominanz sachfremder Erwägungen? Das Land NRW fördert seit Ende 2020 Luftfilteranlagen für Schulen. Die Stadt Köln (und auch andere Städte in NRW) verbietet jedoch deren Einsatz, sogar, wenn zertifizierte Geräte den Schulen geschenkt werden. Grund: Der Nutzen sei nicht belegt (obwohl er durch die Universität der Bundeswehr belegt wurde). Mit demselben Argument wurden in Deutschland (sogar vom RKI) noch im Frühjahr 2020 Alltagsmasken (und sogar OP-Masken) abgelehnt, während ganz Asien schon lange von dem Nutzen überzeugt war – und es dort Belege gab.

Nachtrag (12.03.2021): Nun gibt es aktualisierte Zahlen vom RKI, schön im heutigen Situationsbericht zusammengefasst:

Die Extrapolation der Daten liefert (bei unveränderten Maßnahmen) eine Inzidenz von 200 in der Kalenderwoche 13, also in 3 Wochen. Aufgrund der Lockerungen (Öffnung von Geschäften und Schulen ohne Kompensation durch Schnelltesteinsatz) ist eher früher damit zu rechnen. Konkret bedeutet das, dass innerhalb der nächsten drei Wochen nach und nach mehr Kreise (nach Überschreitung der Notbremse bei 100) in den strengen Lockdown zurückgehen werden. Solange, bis wieder fast ganz Deutschland betroffen ist. – Die Notbremse bei einer Melde-Inzidenz von 100 wurde von der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang März zusammen mit den aktuellen Lockerungen beschlossen. Nur Brandenburg wird verbindlich erst bei 200 reagieren.

20.03.2021: Inzwischen hat die Variante B.1.1.7 einen Anteil von 75 Prozent an den Coronainfektionen in Deutschland. Die gemeldeten Infektionen steigen daher (heute 15000 gegenüber 12000 vor einer Woche), obwohl weitgehend Lockdown-Bedingungen herrschen (die Schulen wurden gerade erst geöffnet, die Infektionszahlen spiegeln aber die Lage von vor 2 Wochen wieder). Der R-Wert für die Variante B.1.1.7 beträgt unter den Bedingungen vor 2 Wochen ungefähr R=1.3. Das bedeutet: Es geht ungefähr so weiter wie hier beschrieben für den Fall R=1.2. Weitere Lockerungen und fehlende Hygienedisziplin werden den R-Wert aber wahrscheinlich weiter steigen lassen. Längerfristig sind die anderen Immun-Escape-Varianten (Brasilien, Südafrika) eine Bedrohung, weil sie die Impfungen deutlich weniger wirksam machen. Es wäre wichtig, diese Corona-Varianten jetzt außer Landes zu halten. Eigentlich ist diesem Statement von Lauterbach wenig hinzuzufügen.

01. Februar 2021 – Oliver Rheinbach

Ein Jahr Corona: Ist ein Strategiewechsel notwendig? Und: Ein interessanter numerischer Fehler in einem wichtigen Corona-Paper.

Anders als andere Länder verfolgte die Bundesregierung nie die Strategie einer vollständigen Eindämmung von Corona. Ziel war nur, R nahe 1 zu halten, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Zwar sterben auch bei nicht-überlasteten Krankenhäusern etwa ein Drittel der Intensivpatienten, aber bei Überlastung noch viel mehr – und auch Menschen mit anderen Krankheiten als Corona sterben wegen schlechter Versorgung. Ansonsten war das Ziel in Deutschland, den Schaden für die Wirtschaft möglichst gering zu halten (allerdings sind auch so die Kosten der Maßnahmen astronomisch) und auf die Impfung zu warten.

Um das Ziel „R nahe 1“ zu erreichen, waren Bundesregierung und die Länder bereit, vergleichsweise harte Maßnahmen für den privaten Bereich zu erlassen (Kontaktbeschränkungen, zwei Haushalte-Regel, 15-Kilometerregel, Schulen und Kindergärten im Notbetrieb, Universitäten im Onlinebetrieb, sogar abendliche Ausgangssperren), wenn auch weniger hart als in anderen europäischen Ländern (die mit harten Ausgangssperren nicht mehr erreicht haben als Deutschland). Ebenso harte Maßnahmen trafen und treffen bestimmte Bereiche der Wirtschaft, wie Restaurants, Läden etc… Für andere Bereiche der Wirtschaft gelten dagegen vergleichsweise milde Regeln: bei Einhaltung von 1,5m Abstand können Arbeitnehmer im Großraumbüro sitzen, auch ohne Maske – obwohl Ansteckung über Aerosole möglich ist. Bis vor Kurzem waren Firmenkantinen (unter Abstandsauflagen) noch offen, während Restaurants geschlossen waren. Trägt ein Arbeitnehmer das Virus nach Hause, steckt er relativ sicher seine Familie an. Da dieser letzte Schritt sehr gut nachvollziehbar ist, taucht in der Statistik der private Bereich als prominenter Ansteckungsherd auf. Tatsächlich kann die Ansteckungsursache bei 80 Prozent der Fälle nicht gefunden werden.

Nun hat die EU beim Impfstoffeinkauf leider zuerst auf die Kosten geschaut, obwohl die Impfstoffkosten (von 5 bis 50 Euro je Dosis, d.h.  zwischen 800 Mio und 8 Mrd Euro für die gesamte Deutsche Bevölkerung) gering sind, gegenüber die Lockdownkosten (in der Größenordnung von 1 Billion für Deutschland alleine 2020; hier und andere Quellen). Die Impfstoffkosten sind gegenüber den Lockdownkosten auch vernachlässigbar, wenn man (sinnvollerweise) bei mehreren Herstellern für die gesamte Bevölkerung bestellt. Nun kann man sich nicht wirklich beschweren, wenn Hersteller zuerst die Länder beliefern, die früh bestellt haben und mehr bezahlen: nämlich 30 Euro pro Kopf, während die EU 4 Euro pro Kopf zahlt.

Zudem ist die aktuelle Strategie Deutschlands in der zweiten Welle nicht sonderlich erfolgreich. Im Weihnachten herum meldete Deutschland pro Tag mehr als 1000 Tote, die in deutschen Medien viel gescholtene USA meldeten 4000 Tote – bei etwa viermal größerer Bevölkerung.

Die sehr langsame Impfung in der EU hat noch ein weiteres Risiko: Wenn man diesem Corona-Virus Raum und Zeit gibt (d.h. wenn man ihm einen stetigen Fluss von Neuinfektionen über längere Zeit bietet), so gibt man ihm Raum zu mutieren und sich an seinen Wirt anzupassen. Das sieht man nun an den neuen Varianten die in Großbritannien, Südafrika und Brasilien entstanden sind.

Eine Eindämmung, auch während die Impfungen laufen, ist daher sehr wichtig.  Zudem ist es leider wahrscheinlich, dass auch Geimpfte sich infizieren können (ohne krank zu werden) und andere anstecken könnten (keine sterile Immunität).

Die neue südafrikanische Corona-Variante ist deswegen so wichtig, weil sie wahrscheinlich in einer durchseuchten Umgebung entstanden ist, um bereits immune Menschen noch einmal anzustecken (Immun-Escape). Damit das nicht auch bei einer Impfung passieren kann, muss man die Impfung schnell, d.h. innerhalb kurzer Zeit, durchführen.

Ansonsten züchtet man nur neue Immun-Escape-Varianten im eigenen Land und muss wieder eine neue Impfung entwickeln (immerhin geht das wohl mit den neuen mRNA-Impfstoffen schneller als früher).

In jedem Fall ist es nun Zeit, über einen Plan B nachzudenken. Welche Optionen haben wir noch? Manche sagen, dass der Zug für die Kompletteindämmung nach asiatischem Vorbild für Europa abgefahren ist.

Andererseits sind es dieselben Maßnahmen, die eine Inzidenz von 500 auf 50 bringen, die die Inzidenz auch auf 5 und darunter bringen können. Nachdem Exponentialgesetz dauert beides sogar gleich lang. Wenn wir R=0,7 annehmen (was auch etwa einer Halbierung der Zahlen alle 8 Tage entspricht – bei einer angenommen Generationenzeit von 4 Tagen), hat man in 24 Tagen (fast) einen Faktor 10 Reduktion erreicht. Das bedeutet, mal kommt in 24 Tagen von 500 auf 50 und in weiteren 24 Tagen von 50 auf 5. Bei einem R=0,9 braucht man dazu 84 Tage.

Was kann man noch tun?

  • Vielleicht doch diese oder diese (No-Covid) Strategie? Obwohl natürlich bereits einige Politiker (m) und einige Wissenschaftler (m) widersprechen. Es lohnt sich trotzdem, darüber nachzudenken. Die No-Covid-Strategie ist im Übrigen vor allem eine Kommunikationsstrategie, d.h. sie ist ein Vorschlag, wie man wieder zu mehr Disziplin bei der Eindämmung kommen kann – beides, Kommunikation und Disziplin, fehlt aktuell in Deutschland. Das ist für jeden sichtbar, der durch deutsche Städte geht.
  • Vielleicht muss das RKI seine Kontaktverfolgung verbessern und endlich auch die Kontakte 4 Tage vor Symptombeginn suchen, statt nur 2 Tage  (s.u. zum „interessanten numerischen Fehler“)?
  • Vielleicht muss man in einer Modellregion eine massive Kontaktverfolgung mit allen verfügbaren Mitteln machen, um endlich das Dunkelfeld der Infektionen zu beleuchten (80 Prozent der Ansteckungen sind aktuell aus unbekannten Quellen – zumindest sind sie dem RKI unbekannt).
  • Vielleicht brauchen wir eine schärfere Coronawarn-App? Vielleicht kann man die Coronawarn-App zumindest so ändern, dass Nutzer freiwillig mehr Daten spenden können (etwa Standort und Zeit)? Wer diese Daten spendet könnte auch detaillierter gewarnt werden.
  • Vielleicht sollten täglich auf allen Medien (und am Supermarkt) Werbe-Videos laufen, wie man eine Maske richtig trägt und wann eine FFP2-Maske dicht ist, damit sich die vielen Masken-unter-der-Nase-Träger wenigstens blöd dabei vorkommen.
  • Es sollten wohl endlich auch in Deutschland Schnelltests an jedermann verkauft werden. Die US-Regierung fördert ihre (Weiter-)Entwicklung wenigstens.  Und ja: Natürlich kann man die Tests fehlerhaft anwenden, aber das ist die eigene Verantwortung. Wenn der Staat seiner Schutzaufgabe nicht nachkommt, muss er wenigstens die Werkzeuge zulassen, mit denen Bürger sich selber schützen können (nein, das ist kein Spruch der NRA).
  • Luftfilter für Schulen waren den Kommunen bisher zu teuer. Wenn die britische Variante sich in Deutschland ausbreitet, wird es wahrscheinlich nicht mehr ohne gehen. Nachtrag 3.2.2020: Inzwischen kann wohl als sicher gelten, dass auch in Deutschland die Mutante B.1.1.7 den alten Corona-Virus-Typ verdrängen wird. In Köln wurden nun in 880 positiven Proben 80 mal die britische Variante B.1.1.7 gefunden.
  • Neue Filteranlagen für die Bahn werden dann wahrscheinlich auch nötig.
  • … mehr Ideen?

Nun zum interessanten Fehler im einem wichtigen Corona-Artikel:

Die aktuelle Kontaktverfolgungsstrategie des RKI basiert auf diesem Artikel in Nature Medicine, nach dem es ausreicht, Kontakte von Corona-Infizierten bis zu zwei Tage vor Symptombeginn zu verfolgen.

Auch jetzt noch (!) verfolgen die deutschen Gesundheitsämter die Kontakte einer infizierten Person nur bis zu 2 Tage vor Symptombeginn (ich vermute, auch die App nur diese Kontakte warnt, habe das aber nicht geprüft), obwohl 4 oder 5 Tage notwendig sind, wie man seit August 2020 weiss, weil Forscher der ETH die Rohdaten der Publikation nochmal analysiert haben. Sie schreiben:

„Our reanalysis suggests that tracing contacts of infected index cases as far back as 2 or 3 days before symptom onset in the index case might not be sufficient to find all secondary cases.“ (Quelle hier)

Und weiter:

„Thus the published profile overestimated the efficacy of contact tracing, whereas the corrected distribution tells us we need to look back at least 4 days to catch 90% of presymptomatic infections.“ (Hervorhebung nicht im Orginal).

Die Ursache für den Fehler ist numerisch interessant:

„the following condition is used in the return line of the likelihood function:

     return(-sum(lli[!is.infinite(lli)]))

This condition will erroneously drop any data-point that has a probability of zero (and hence a log-probability of −∞) under the current model parameters.“

Der Nature-Medicine-Artikel musste daraufhin korrigiert werden. Die Originalautoren sind in ihrer Korrektur (etwa absichtlich?) ziemlich kryptisch:

„The time frame in the first sentence of the tenth paragraph of the main body of the text (“2 to 3 days”) was incorrect. The correct time frame is “5 to 6 days.”“ (siehe hier)

Wenn man sich die Mühe macht, den 10 Absatz des Dokumentes zu suchen, so ist der korrigierte Satz:

„Our analysis suggests that viral shedding may begin 5 to 6 days before the appearance of the first symptoms.“