Beim internationalen Wettkampf studentischer Grubenwehren, dem Mine Emergency Response Development (MERD), an der Colorado School of Mines belegte das Team der TU Bergakademie Freiberg den zweiten von sieben Plätzen. Das theoretische Wissen und die praktischen Fähigkeiten stammen aus den Lehreinheiten der Professur für Rohstoffabbau und Spezialverfahren unter Tage, als auch der studentisch geführten AG Grubenwehr.
Motivation und Herausforderung
Zum dritten Mal nach 2017 und 2019 ist die studentische Gruben- und Gasschutzwehr der TU Bergakademie Freiberg in diesem Jahr beim Vergleichswettkampf MERD in den USA angetreten. Die Freiberger Delegation bestand diesmal aus den fünf Bergbaustudenten Matthias Schultheis (Captain), Daniel Sensenschmidt (Gas Man), Patrick Reimann (Map Man), Erik Farys (First Aid Man) und Markus Fischer (Co-Captain) sowie dem Doktoranden Georg Meissner (Trainer/Fresh-Air Base) und Professor Helmut Mischo (Abbildung 1). Nachdem im Jahr 2019 bereits ein guter vierter Platz in der Gesamtwertung belegt wurde, konnte sich das Freiberger Team weiter steigern und landete auf einem hervorragenden zweiten Rang. Die Konkurrenz war in diesem Jahr mit vier US-amerikanischen und zwei kanadischen Teams ausschließlich nordamerikanisch geprägt. Es wurden beim Wettkampf die US-amerikanischen Standards und Leitlinien zu Grunde gelegt. Die Bewertung der Disziplinen erfolgte durch hauptamtliche Grubenwehrausbilder, Vertreter des regionalen Rettungs- und Sanitätsdienstes sowie Fachpersonal des National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) und der Mine Safety and Health Administration (MSHA).
Die Wettkampftage mussten von den Studenten geschlossen als Grubenwehrtrupp absolviert werden. Im Gegensatz zu deutschen Grubenwehrtrupps, in denen alle Positionen im Trupp durch eine umfassende Ausbildung von jedem Wehrmann belegt werden können, besitzen US-amerikanische Trupps eine andere Aufgabenverteilung und Formation (Abbildung 2). In der Regel sind die Wehrmänner ausschließlich auf ihre entsprechende Position im Trupp spezialisiert. So wird ein Trupp in den USA vom Captain (Truppführer) nicht nur hierarchisch geleitet, sondern auch auf der ersten Position angeführt. Der Captain als Kopf des Trupps ist für die untertägige Ersteinschätzung der Verhältnisse zuständig. Er entscheidet nach Rücksprache zur im Frischwetterbereich befindlichen Fresh-Air Base (Bereitschaftsstelle) über ein Grubenwehrtelefon oder Funk, wie das weitere Vorgehen in der Grube gemäß des Einsatzauftrages bewältigt werden kann. Hinter dem Captain reihen sich an der zweiten Stelle der Gas Man (Spezialist für Gasmessungen), an der dritten Position der Map Man (Spezialist für Risswerksführung) ein. Diese beiden Wehrmänner unterstützen den Captain mit Informationen zur Zusammensetzung der Atmosphäre, zur Lokation innerhalb der Grube sowie plötzlichen Änderungen und Besonderheiten. Auf der vierten Position befindet sich der First Aid Man (Spezialist für Erste Hilfe), der sich bei der Auffindung von Verunfallten zunächst federführend der Versorgung und Behandlung der Personen widmet. An der fünften und letzten Stelle im Trupp ist der Co-Captain (stellv. Truppführer) zu finden. Dieser übernimmt im Falle des Ausfalls des Captains das Kommando und hält dann die Kommunikation zur Fresh-Air Base aufrecht.
Der Wettkampf MERD und seine Disziplinen
Der dreitägige Wettkampf MERD fand vom Mittwoch, den 22.02.2023, bis zum Freitag, den 24.02.2023, an der Colorado School of Mines statt und setzte sich aus mehreren Disziplinen zusammen. Die Bergbauuniversität mit Sitz in Golden betreibt außerdem die Edgar Experimental Mine inmitten der Rocky Mountains in Idaho Springs. Der erste Wettkampftag diente der Gewinnung eines groben Überblickes über das Grubengebäude und die Aufgaben der bevorstehenden Tage. Es wurde zunächst ein Teil der Grube fußläufig befahren und die Kartierung der vorgefundenen Verhältnisse auf einem Grubenriss trainiert. Im Anschluss daran wurden die Grundlagen des US-amerikanischen Rettungswesens im untertägigen Vorlesungssaal durch ein Jury-Mitglied erläutert und hier bereits erste Unterschiede zum deutschen System festgestellt. Später fand im übertägigen Klassenraum auf dem Bergwerk eine Seil- und Knotenkundeübung statt, bei der Techniken zur Selbst- und Fremdrettung demonstriert und von den Wettkampfteilnehmern auch praktiziert wurden (Abbildung 3).
Mit dem zweiten Wettkampftag stand die erste als Trupp zu absolvierende Disziplin bevor. Im Kellergeschoss eines Universitätsgebäudes in Golden wurde ein Mass Casualty Scenario (Massenverletztenereignis) vorbereitet. Hierzu wurde in einem als Kammer-Festen-Bau nachempfundenen Parcours ein Sprengunfall simuliert und mit Schreien der Verunfallten, Verdunklung, Nebelmaschinen und Signalhörnern in Szene gesetzt. Es galt als fünfköpfiger Trupp alle neun Leicht- bis Schwerverletzten vor Ort schnellstmöglich zu versorgen, zu evakuieren und nach einer Triage dem Rettungsdienst zu übergeben. Die simulierten Verletzungen reichten von stressinduzierter Hysterie und Schürfwunden über offene Brüche an Armen und Beinen sowie Verbrennungen am ganzen Körper bis hin zu Wirbelsäulen- und tödlichen Verletzungen (Abbildung 4). Es konnten alle Verletzten erfolgreich gerettet werden. Nach der praktischen Anwendung der Ersten Hilfe-Kenntnisse musste dieses Wissen später auch in einem schriftlichen Test nach US-amerikanischen Standards nachgewiesen werden. Des Weiteren musste der Umgang mit einem Defibrillator während einer Herz-Lungen-Wiederbelebung separat demonstriert werden.
Das Fachwissen in der Gerätekunde wurde ebenfalls am zweiten Wettkampftag begutachtet. Unser zum Gerätewart qualifizierter Wehrmann, welcher im Drägerwerk in Lübeck extra eine eintägige Einführung in das Dräger BG 4 erhielt, musste sich im Rahmen des Benching theoretischen und praktischen Prüfungen zum Kreislaufatemgerät unterziehen. Teil dieser Disziplin war einerseits der Zusammenbau eines Dräger BG 4 mit all seinen Komponenten inklusive des anschließenden Tests. Ferner mussten an einem zweiten Gerät Fehler erkannt und behoben werden. Für ein deutsches Team war es ungewohnt, dass diese Disziplin nicht in erster Linie auf Qualität, sondern insbesondere auch auf Zeit zu absolvieren war.
Am dritten und letzten Wettkampftag war der Trupp, aber auch die Fresh-Air Base unter Tage gefordert. Unter scharfem Gerät musste in einer zweieinhalbstündigen Übung ein simuliertes Einsatzszenario bewältigt werden. Der Einsatzauftrag beinhaltete die Rettung dreier vermisster Personen im nordwestlichen Teil der Grube infolge eines Sprengunfalls. Nach kurzer Lagebesprechung wurde die umfangreiche Erkundung in nordwestliche Richtung begonnen. Neben wechselhafter Atmosphäre und Bereichen geringer Gebirgsstabilität wurde die Erkundung von einer Brandbekämpfung erschwert. Aufgrund entstandenen Rauches und nicht atembarer Atmosphäre wurde zwischenzeitlich die Sicherung der Truppmänner an einer Leine notwendig (Abbildung 5). Nachdem nach einer Stunde eine erste leblose Person aufgefunden werden konnte, wurde anschließend nach den anderen beiden Vermissten weitergesucht (Abbildung 6). Das Szenario nahm eine überraschende Wendung, als der Captain nach zwei Stunden von der Jury angehalten wurde im Bereich eines Überhauens mit unwegsamer Sohle eine plötzliche Bewusstlosigkeit zu simulieren. Von nun an mussten die vier übrigen Wehrmänner die medizinische Versorgung des Captains sicherstellen, diesen und sein Kreislaufatemgerät mithilfe eines Spineboards zunächst von der Sohle aufnehmen und anschließend auf dem fahrbaren Schleifkorb sichern. Das Kommando übernahm fortan der Co-Captain, der nun einen kontrollierten Rückzug einleitete (Abbildung 7).
Das Team der TU Bergakademie Freiberg ging im gesamten Wettkampfgeschehen, insofern möglich, gemäß den deutschen Vorschriften und Leitlinien vor und wich dabei stellenweise von den US-amerikanischen Standards ab. Das Vorgehen und Knowhow des Freiberger Teams überzeugte die Jury dennoch in allen Bereichen, insbesondere auf den Gebieten der Ersten Hilfe und dem Umgang mit Verunfallten. Trotz der Unterschiede der US-amerikanischen und deutschen Systeme, konnte der zweite Platz belegt werden, was auf monatelanger universitärer Ausbildung und akribischem Selbststudium beruht. Zwar ist eine studentische Gruben- und Gasschutzwehr allein schon aus rechtlichen und versicherungstechnischen Gründen kein im Ernstfall einsatzfähiges Rettungsinstrument, doch werden die zukünftigen Absolventen für das Berufsleben und ihre Verantwortung als Leitungspersonen sensibilisiert (Abbildung 8).
Universitäre Lehre und Vertiefung in studentischer Arbeitsgemeinschaft
Die Professur für Rohstoffabbau und Spezialverfahren unter Tage bietet mit zwei außergewöhnlichen Lehrveranstaltungen grubenwehrinteressierten Studenten interessante und abwechslungsreiche Einblicke in das Grubenrettungswesen. Im Grundlagenmodul „Sicherheit und Rettungswerke in der Rohstoffindustrie“ wird zunächst theoretisches Wissen zu rechtlichen Aspekten, zu erfolgreichem Risiko- und Krisenmanagement in Bergbaubetrieben, als auch dem Aufbau und der Funktionsweise von Rettungswerken, Gruben- und Gasschutzwehren vermittelt. Nach der Absolvierung dieses Moduls sowie der Erlangung der Tauglichkeitsuntersuchung für Atemschutzgeräte der Klasse 3 (G 26.3) kann das Nachfolgemodul „Studentische Gruben- und Gasschutzwehr“ besucht werden. Die dazugehörigen Lehreinheiten sind sowohl in theoretische als auch praktische Abschnitte auf dem Forschungs- und Lehrbergwerk Reiche Zeche unterteilt. Das Modul wird mit einer untertägigen Gewöhnungsübung unter Trainingsgerät abgeschlossen, bei dem die Studenten als Grubenwehrtrupp agieren müssen. Die Lehrveranstaltungen werden mit einer jährlich stattfindenden Großübung untermauert, bei der die Studenten in einem simulierten komplexen Einsatzszenario als Krisenstab über Tage zusammenarbeiten müssen.
Außeruniversitär werden die Lehrinhalte im Kreis interessierter Studenten verschiedener Semester und Fachrichtungen, der AG Grubenwehr, einer Arbeitsgemeinschaft des Studentenrates, vertieft. In den alle zwei Wochen Donnerstagabend stattfindenden Sitzungen werden in Form von Safety Moments stets grundlegende Erste Hilfe-Techniken praktiziert und durch größere Erste Hilfe-Übungen in unregelmäßigen Abständen untermauert. Die rund 20 Mitglieder bilden sich in ihrer Freizeit in den Sitzungen gegenseitig durch Vorträge, übertägige Trockenübungen und den Erfahrungsaustausch weiter. So geben bspw. der Feuerwehr oder dem THW angehörige Studenten ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Brandbekämpfung, des Funkens oder der Knoten- und Seilkunde weiter. Außerhalb der Sitzungen werden gemeinsame Exkursionen in aktive Gewinnungsbetriebe und Besucherbergwerke, aber auch zu Grubenrettungsstellen organisiert. Zwar stehen der AG Grubenwehr nur begrenzt Trainingsausrüstung und finanzielle Eigenmittel zur Verfügung, um regelmäßig auf einem höheren Niveau zu üben, jedoch können untertägige Übungen durch die Unterstützung aus der Wirtschaft und Industrie, aber auch der Professur für Rohstoffabbau und Spezialverfahren unter Tage in unregelmäßigen Abständen verwirklicht werden. Vor allem in Hinblick auf den alle zwei Jahre stattfindenden MERD-Wettkampf in den USA soll so gezielt umfassend und detailliert auch außerhalb der Vorlesungszeit trainiert werden. So verwundert es auch nicht, dass alle fünf Studenten des Freiberger Teams zum Wettkampf in den USA Mitglieder der AG Grubenwehr sind (Abbildung 9).
Ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung zum MERD-Wettkampf im Jahr 2023 gilt der Glückauf-Clara-Stiftung, der Redpath Deilmann GmbH, dem Verband Bergbau, Geologie und Umwelt e. V., der MSW-Chemie GmbH, der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH, der Ercosplan Unternehmensgruppe, der Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH, der Lausitz Energie Bergbau AG, Dräger Safety AG & Co. KGaA sowie der TU Bergakademie Freiberg und dem Verein der Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg e. V.